Sommer der Veränderung

16. Juni 2023

Es regnet. Es regnet endlich richtig, es ist dunkel und still und ich bin allein zuhause. Die Wäsche ist sortiert und im Schrank. Die Küche ist aufgeräumt. Ich brauche den Garten nicht gießen. Ich freue mich auf eine besondere indische LadiesNight heute Abend.. nur ein Besuch beim neuen Zahnarzt heute Nachmittag stört mein Glück. Wenn ich das erst hinter mir habe…

Ich nehme mir Zeit, um meinen treuen jahrelangen Blog-Lesern die neuesten Ereignisse mitzuteilen. Große Veränderungen stehen an!

Ob es am Alter liegt, an der Schnelllebigkeit oder ob die Zeit in Wirklichkeit doch immer gleich schnell vergeht… es ist schon Mitte Juni und dieser Sommer wird ganz besonders für uns.

Im September 2013 wurde so richtig klar, dass wir als Familie für 1 Jahr nach Kalifornien ziehen werden. Obwohl ein Auswandern nie wirklich im Raum stand, haben wir es da ohne Ende geliebt. Nicht nur die Zeit, die Gegend, die Menschen, das Besondere… dieses Jahr hat uns auch verändert und wir sind verändert zurück gekommen. So, dass Kalifornien für immer etwas ganz Besonders in meinem Leben und Herzen gewesen ist. Ich wusste damals, dass es nicht leicht wird, mal wieder an diesen Ort zurück zu kommen. Aber das es so schwer ist, wusste ich nicht..

Im Mai 2014 sind wir nach Amerika geflogen. Dieser Blogeintrag und viele weitere danach erzählen von unserem Jahr dort. Das Zurückkommen war schön und schwer. Aber die Kinder sollten hier zur Schule gehen und wir haben unsere Familie und Freunde hier. Wir haben uns nach dem Auslandsjahr hier bewusst gegen „einen normalen Job“ entschieden und haben alle unsere Zeit und Kraft in Menschen, Beziehungen, Ehrenämter und die Kirche gesteckt. Das war eine sehr wertvolle Zeit und wir würden das immer wieder so tun. Nur, wenn man von Spenden lebt, ist eventuell kein Geld für Flugtickets drin. Dann kamen Einschulungen und ein neues Baby, Kalifornien war weit, weit weg.

Ganz aufgeregt waren wir, als wir Anfang 2020 den Mut und das Geld sammelten und Flüge nach Kalifornien buchten. Ihr wisst alle, wie das ausging und dass ab 2020 niemand mehr irgendwohin geflogen ist. Das war bitter. Später konnten wir wieder Freunde aus Amerika und Afrika begrüßen – aber dass wir zu fünft für eine längere Zeit (länger als eine Kita-Schließzeit) wieder in unser geliebtes Kalifornien reisen konnten, schien einfach nicht mehr möglich. Und ich wollte unbedingt mit den Kindern gemeinsam zurück.

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Mit der Eingewöhnung unseres dritten Sohnes im Herbst 2019 bin ich wieder zurück als Erzieherin in einen Kindergarten gegangen. Es war von Anfang an nicht ganz leicht, aber wir haben die Herausforderung der Familien-Logistik angenommen und bewältigt. Mamas, mit kleinen Kindern, die arbeiten gehen, sind einfach die Heldinnen. Ihr habt ja gar keine Ahnung. Meine 3 Arbeitstage und ein Mann, der von zuhause arbeitet, sind da noch Luxus. Und trotzdem war es oft schwer. In den Ferien. Mit kranken Kindern. Mit kranken Kolleginnen. Die Zerrissenheit. Die Zusage für da bedeutet eine Absage für dort. Das Gefühl, niemandem gerecht zu werden. Überall zu kurz zu kommen. Nichts richtig zu schaffen. Dem Alltag hinterherzurennen.

Ich empfand die Arbeit im Kindergarten als sehr wertvoll. Ich konnte Menschen kennenlernen, die ich nicht mehr aus meinem Leben lasse. Ich durfte viele Kinder bei den täglichen neuen aufregenden Schritten begleiten. Ich habe tolle Familien kennengelernt und konnte meinen Horizont erweitern, an Fortbildungen teilnehmen, eine kleine Welt positiv verändern.

Und trotzdem.
Das System, in dem unsere Familien aufwachsen, passt nicht für mich. Mamas, die vor der Geburt schon Kita-Plätze suchen müssen, leiden. Eltern, die sich Tag für Tag zwischen Kind und Chef entscheiden müssen, leiden. Andere Steuerklassen, mehr Fremdbetreuung, längere Kita-Öffnungszeiten, Kind und Karriere geht doch?! Es sieht familienfreundlich aus – aber die Gesellschaft, die Politik zerreißt unsere Familien. Wer von euch sitzt vollständig als Familie täglich ohne Medien am Abendbrottisch? Wer schafft Kinderfeste, Elternabende, Sport-Auftritte ohne Stress? Wer kennt die Freunde der eigenen Kinder und deren Familien? Wer kann in den Ferien mit dem Kind in den Tag starten und mal Pause machen?
(Das sind keine Punkte, an denen ich gesunde und starke Familien messe. Aber starke gesunde Beziehungen brauchen Zeit.. und die wird uns genommen.)

Mir war klar, dass ich als Mama die Eingewöhnung meiner Kinder schwer finde. Aber auf der anderen Seite der Tür zu stehen und das Leid der Kinder, Kolleginnen und der anderen Kinder zu sehen, war zu viel. So geht das nicht.

Und dann entstand dieser Artikel.

Die Tatsache, dass ich als Erzieherin dieses System nur unterstütze – während meine eigenen Kinder auf mich verzichten müssen, hat in mir gearbeitet, mich gequält. Ich kann die Welt nicht besser machen, wenn meine Familie darunter leidet. Und nach langen Monaten habe ich die schwere Entscheidung getroffen und meinen Job gekündigt.

Vielleicht ist es leicht und feige, einfach abzuhauen. Die Kita und die Kolleginnen ihrem Schicksal zu überlassen. Ja, ich fühle das und es tut weh. Aber ich möchte einen Unterschied in dieser Welt machen. Und meine Welt ist zuerst meine Familie. Ich möchte dabei sein, wenn meine Kinder aufwachsen.

Die Tatsache, dass unser jüngster Sohn in diesem Sommer in die Schule kommt, hat mir die Entscheidung für den richtigen Zeitpunkt etwas leichter gemacht. Denn so, wie ich die beiden Großen zur Schule bringen und nach der Schule abholen konnte, möchte ich das jetzt wieder.

Und an alle Eltern, die jetzt über schlaflose Nächte, Tragebabys, volle Windeln und Trotzphasen klagen… es hört nicht auf. Es wird immer wieder anders. Aber auch 11jährige und 13jährige Kinder brauchen eine Mama, die da ist, die zuhört, die Essen kocht, die Vokabeln abfragt, die ins Bett bringt, die Pflaster klebt, umarmt, die Nintendo versteckt, Witze anhört und dreckige Socken unterm Bett findet. Dieses Leben will ich!

Nebenbei habe ich eine Weiterbildung zur Doula und Mütterpflegerin gemacht. Und ich gehe ab Sommer den Schritt in eine finanzielle Unsicherheit. Aber ich werde versuchen, nebenbei mehr freiberuflich zu arbeiten.

Das ist meine Entscheidung. Ich kann das von niemand anders verlangen, erwarten oder einfordern. Es erfordert Mut und ein bißchen Verrücktheit. Und natürlich Einigkeit in der Familie. Aber wenn es doch andere Mamas gibt, die darüber nachdenken, die Eingewöhnung nach hinten zu verschieben, die Familie an die erste Stelle zu setzen oder den Job nochmal zu überdenken, dann feiere ich dich. Hab‘ den Mut! Geh‘ den Schritt!
Die einzigen Menschen, die sich in ein paar Jahren noch an deine Schichten und Überstunden erinnern werden, sind deine Kinder. Und dein Alltag ist ihre Kindheit. Und die Tage sind lang, aber die Jahre sind kurz. Klingt kitschig, ist aber so.

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Zurück nach Kalifornien.
Im wahrsten Sinne.
Da wir nun nicht mehr an die Schließzeit im Kindergarten gebunden sind und so richtig 6 Wochen frei haben, haben wir Flüge gebucht. So richtig. Nach Kalifornien. (Und zurück..)

Wir dürfen wieder in unsere Wohnung, in der wir 2014 gewohnt haben. Wir bekommen ein Auto von Freunden und werden sehnlichst erwartet. Wir werden Lieblings-Menschen und Lieblings-Orte besuchen, wir werden in den Pazifik springen, Frozen Yoghurt essen und unsere Herzen und Handy-Fotospeicher füllen. Ich hoffe, dass die großen Jungs sich erinnern, ein bißchen. Dass sie über die amerikanischen Autos staunen und ihr Schul-Englisch ausprobieren und verbessern werden. Ich hoffe, dass der Kleine mit seinen 6 Jahren den Flug, die Reise, das weite Land in sich aufnehmen und das Besondere genießen kann, ohne überfordert zu sein.

Da unsere ersten Flugtickets 2020 auch schon gebucht waren, glaube ich es erst, wenn ich wirklich den Boden von Los Angeles unter meinen FlipFlops spüre und die erste Palme umarme. „Wir werden nicht schlafen in Kalifornien“, habe ich meinen Kindern gesagt. Wir sind dort ungefähr 700 Stunden. Und ich möchte das alles genießen!

Danach kommt der Herbst. Und eine neue Einschulung. Und neue Wochen-Strukturen. Und ein Sechstklässler und ein Achtklässler. Und neue Arbeits-Bürokratie. Aber erstmal kommt Kalifornien.

Kalifornien 2015

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