Als unsere Tochter auf die Welt kam

23. Januar 2025

(Achtung, das wird lang!)

Ich schreibe meine Geburtsberichte ausführlich auf.
Zur Erinnerung. Zur Verarbeitung. Zum Weitergeben. Zum Mut-machen. Und vielleicht mal für meine Kinder, wenn sie es lesen möchten.

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Vorgeschichte

Als der dritte Sohn 1 Jahr alt war, habe ich eine Weiterbildung zur Doula (Geburtsbegleiterin) gemacht. Dort habe ich erfahren, dass jede Frau die Geburtsberichte der Hebammen aus dem Kreißsaal anfordern kann, wenn es ausschließlich für persönliche Zwecke gedacht ist.
Das habe ich dann gemacht und alle drei Berichte unkompliziert bekommen. Meine eigenen Texte habe ich daraufhin noch etwas ergänzt.

Beim 4. Kind wusste ich das nun und habe recht schnell nach der Geburt den Hebammen-Bericht angefordert. Ich habe zweimal nachgefragt und war irgendwie ungeduldig oder unsicher, ob ich den Bericht bekommen würde. Aber dann habe ich eine freundliche Antwort per Mail und den mehrseitigen Bericht bald per Post bekommen. Daher schreibe ich den Geburtsbericht nun relativ schnell nach der Geburt – unsere Tochter ist heute 5 Monate alt. Vor der Geburt dachte ich, dass ich den Bericht ganz schnell schreiben würde… Aber ich muss ehrlich zugeben, dass ich dieses Projekt doch etwas vor mir hergeschoben habe. Ich weiß, dass es mich emotional beschäftigen wird, dass ich wahrscheinlich Tage dafür brauchen werde – aber auch, dass ich dann damit irgendwie abschließen kann.

Nach 3 Geburten und mehreren Einsätzen als Doula und Mütterpflegerin habe ich meine vierte Schwangerschaft und Geburt nochmal ganz anders und bewusst wahrgenommen. Wir Doulas haben uns oft gefragt, ob das viele Wissen uns selbst im Kopf bremst oder blockiert. Spätestens jetzt wusste ich sehr genau, was auf mich zukommt, was schief gehen kann, auf was ich achten muss und auf was ich mich freuen darf.

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Abgesehen davon, dass ich nach jeder Geburt gesagt haben soll „Sowas mache ich NIE WIEDER!!!“, habe ich 2017 nach dem 3. Kind insgeheim nicht mit diesem Thema abgeschlossen. Ich habe bewusst offen gelassen, ob wir noch ein Kind bekommen wollen oder nicht. Ich habe Kinderkleidung aufgehoben und auch sonstige Baby-Artikel nicht weggegeben. Ich war mit den drei Jungs sehr glücklich, war mir aber immer bewusst, dass in meinem Herzen noch Platz ist. Besonders, als das Stillen bei Kind 3 so plötzlich und unschön enden musste, dachte ich, dass es schade wäre, wenn DAS jetzt mein letztes Stillen gewesen wäre. Und die Weiterbildungen, in denen es um Babys, Babys und noch mehr Babys geht, haben den Kinderwunsch auch nicht gerade in Ruhe gelassen…

Mein Mann war sehr sicher, dass wir fertig sind. Anfangs hab ich gebettelt und gedrängelt, aber dann habe ich gemerkt, dass das irgendwie kein Sinn macht. Ich konnte das Thema für mich abgeben in dem Bewusstsein, dass es vielleicht doch noch nicht abgeschlossen ist.

Im Oktober 2021 waren wir auf einem langen und intensiven Workshop für Ehepaare. Auf einem Spaziergang zu zweit blieb mein Mann plötzlich stehen und sagte: „Also.. wenn du das wirklich willst mit dem 4. Kind, dann machen wir das und dann schaffen wir das auch.“ – Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte!!! Damit hatte ich wirklich nicht mehr gerechnet. Ich war so froh und dankbar. Gleichzeitig war ich erschrocken und genervt von meinen Gedanken, die sofort von der „Ich will unbedingt ein Baby und alles wird gut!“-Welle hinzu „Oh man, wenn bloß alles gut geht und wie soll das alles werden?“-Welle schwappte. Als hätte es diese 2. Welle an Gedanken vorher überhaupt nicht gegeben. Nun war sie aber da und mir war bewusst, dass ich normalerweise nicht schnell und vor allem nicht ungeplant schwanger werde – vor allem aber wusste ich irgendwie, dass in meinem Alter und nach drei gesunden Kindern und mit Schwangerschaft und Baby und überhaupt allem soo viel eben nicht gut gehen kann. Mein Kopfkino war da.

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Ich spule mal viele, viele Monate vor. Viele Fragen und Sorgen und Ängste und Zweifel haben mich begleitet. Im Sommer 2022 ist eine Schwangerschaft wieder viel zu früh zuende gegangen und ich war so genervt und verletzt von dieser Ungewissheit, dieser Wartezeit, diesem Hoffen und enttäuscht-werden, die dem schönen Familien-Leben immer einen kleinen Stich versetzt haben. Medizinisch gesehen war alles in Ordnung und ich wollte mit drei wunderbaren Kindern auf keinen Fall undankbar sein – aber ich konnte mir dieses Leben mit noch einem Baby so gut vorstellen und mein Wunsch danach war so groß. Ich wurde 37 Jahre alt und ich wurde 38 Jahre alt und ich habe mir gesagt: Bis ich 40 Jahre alt bin, probieren wir weiter. Danach lasse ich es sein.

Zwei Freundinnen waren eingeweiht und sie haben für mich mit geglaubt und mich immer wieder so ermutigt. Wir haben über Babynamen geredet, ich bekam eine „Promise Box“ mit kleinen Versprechen und Zusagen für mein eigenes „Was wenn alles gut geht“ geschenkt. Meine Weiterbildung zur Mütterpflegerin war abgeschlossen, doch diese Tätigkeit konnte ich noch nicht starten, weil ich im Kindergarten gearbeitet habe. Die Zeit verging und ich wollte gern endlich als Mütterpflegerin arbeiten. Weil unser jüngster Sohn in die Schule kam und ich gern in dieser Phase mehr Zeit für ihn haben wollte, kündigte ich meinen Job als Erzieherin im Sommer 2023 und begann, als Mütterpflegerin zu arbeiten.

Anfang Dezember 2023 hatte ich plötzlich einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand! Mein Mann war gerade in der Schweiz unterwegs und ich wartete, bis er wieder zuhause war, um es ihm zu erzählen.
(Eine dieser beiden Freundinnen schrieb mir an diesem Morgen, dass sie einen positiven Corona-Test hatte – und ich antwortete ihr mit meinem Test-Ergebnis. Das sind die einmaligen Momente im Leben!!!)

Die Wartezeit der ersten 12 Wochen fiel mir so schwer! Sie fiel genau in die Weihnachts- und Silvester-Zeit. Ich wollte so unbedingt, dass alles gut geht – und es ging tatsächlich diesmal alles gut. Wir konnten unser kleines Geheimnis für uns behalten. Den Kindern sagten wir es Ende Januar und ihre Reaktion war wieder einer von diesen einmaligen wunderschönen Momente, die wir erleben durften. Im Februar wurde mein Mann 40 Jahre alt und wir teilten die gute Nachricht mit unseren Eltern. Riesige Überraschung und Vorfreude auf allen Seiten. Das war genau vor einem Jahr!

Weil ich unser Baby im Internet und im größeren Bekanntenkreis unbedingt am 1. April ankündigen wollte, mussten wir ziemlich lange mit dem Announcement warten. Ich glaube, weil in unserer Umgebung niemand mehr mit einem Baby bei uns gerechnet hatte, bekam es auch niemand mit – obwohl mein Bauch nur noch durch dicke Jacken zu verbergen war. Die Nachricht war dann natürlich der Knaller! Zur Feindiagnostik nahmen wir eine Freundin mit und nur mein Mann bekam einen Zettel mit dem Geschlecht des Babys zugesteckt. Ich wollte mich und uns alle diesmal überraschen.

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Ich spule wieder vor. Es wurde Mai und Juni. Ich liebte meinen Bauch und es ging mir gut. Es gab keine Beschwerden, keine Komplikationen, ich war fit und beweglich und freute mich so auf unser Baby. So langsam zogen Babybettchen und Babywiege bei uns ein. Wir holten den Kinderwagen von 2010 vom Dachboden. Alle Jungs lagen auch dort drin. Die Vorbereitung war so schön – aber nochmal mehr besonders, weil die drei großen Brüder diesmal eng mit dabei waren. Dieses Baby strampelte und trampelte, viel mehr als die anderen und fast unangenehm zappelte es in meinem Bauch herum. Der Sommer war relativ kühl und in jedem anderen Jahr hätte mich das gestört. Diesmal war ich sehr dankbar. Die Jungs sind im Winter geboren und ich fand es so entspannt, morgens einfach nur ein Kleid überzuwerfen und in die FlipFlops zu steigen. Wassereinlagerungen hatte ich gar nicht.

Mit meinem Doula-Wissen, mit Optimismus und Realismus versuchte ich, mich auf die Geburt vorzubereiten. Ich kannte die Methode der „Friedlichen Geburt“, mir fällt diese mentale „Arbeit“ aber nicht so leicht und außerdem rechnete ich nach drei eher schnellen Geburten eigentlich mit einer noch schnelleren Geburt. Außerdem versuchte ich diesmal, Zuspruch und Affirmation in der Bibel und in ermutigenden Versen zu finden. Ich schrieb Wünsche für die Geburt auf und betete viel. Mein Wunsch war einfach, dass ich stark und mutig und ruhig in die Zeit der Geburt gehen kann, dass wir schnell und klar entscheiden können, ob wir zuhause bleiben oder ins Krankenhaus gehen, dass es nachts losgeht, wenn die großen Kinder schlafen, dass wir nach der Geburt gleich nachhause können und dass ich mich einfach in der ganzen Zeit getragen fühle.

Mit der Hebamme sprachen wir an einem Termin speziell über den Fall, wenn das Baby im Auto oder zuhause geboren werden sollte. Ich hatte keine Angst davor und wollte die Möglichkeit zumindest einmal bedacht haben. Das 3. Kind kam knapp 50 Minuten nach der ersten richtigen Wehe und obwohl 7 Jahre vergangen waren, wollte ich lieber vorbereitet sein. Wir sprachen also ab, wann wir noch die 12 Minuten ins Krankenhaus fahren sollten, wann lieber nicht, was wir zuhause haben sollten, wann man den Krankenwagen anruft und wann die Hebamme kommen könnte.

Perfekt zum Ende der Schwangerschaft lag der Kopf des Babys unten und alles sah gut aus. Obwohl ich immer mal einen Druck nach unten spürte und nicht mehr so gut zu Fuß war, gab es keine deutlichen Anzeichen für eine frühe Geburt und die Frauenärzte waren zufrieden. Kind 1 und Kind 2 kamen vor Termin Kind 3 kam nach Termin. Sowieso sind die Termine ja nur ein Anhaltspunkt und kein Ablaufdatum – ich hatte also keine Ahnung. Im Rückblick denke ich, dass mein Frauenarzt gerne mal Sätze sagt, wie: „Joa, jetzt kann es eigentlich jederzeit losgehen.“ Damit hat er mir bei den anderen Kindern schon Schrecken eingejagt. Vielleicht heißt es auch einfach nur: Alles ist bereit…

Mitte Juli begannen die Sommerferien und wir hatten keine großen Pläne. Der Entbindungstermin war der 10. August und wir hatten ab Ende Juli verschiedene Daten, die uns als Geburtstag gefallen würden oder eine schöne Zahlenkombination wären. Zwei unserer Kinder haben an einem 21. Geburtstag und ein Kind am 15. Mir erschien der 15. Juli viel realistischer, als der 15. August – aber der 15. Juli war nun vorbei. Vorwehen und Übungswehen hatte ich oft, aber nie so, dass es sich gelohnt hätte, auf Abstände zu achten. Viele heiße Sommerabende habe ich auf einem Gymnastikball verbracht. Den harten Bauch und die Wehen fand ich unangenehm, die Nächte waren unbequem und die Tage lang und zäh. Aber ich hab mich im Großen und Ganzen gut gefühlt. Wenn die Jungs unterwegs waren, habe ich viel Zeit zuhause verbracht, meist mit dem Jüngsten. Die Hitze war auszuhalten, unüblich hielt ich mich eher im Schatten auf.

Wir änderten den Mädchennamen nochmal, weil ich irgendwie unsicher war. Aber von meiner Erfahrung und den Reaktionen des Mannes war ich sicher, es würde wieder ein Junge werden. Alles fühlte sich so gleich an. Einzig war dieses Baby wirklich viel, viel aktiver! Und ich hatte viel Lust auf Süßes, bei den Jungs hatte ich immer Lust auf salziges Essen.

Um den Termin herum kamen die Nachrichten am Morgen, ob alles ruhig sei. Jeden Abend beim Einschlafen hörte ich in mich hinein – es gab nichts, was auf eine Geburt hinwies. Vorsichtig verabredete ich mich noch mit Freundinnen, wir machten so viele „letzte Fotos ohne Baby“, wir feierten den Geburtstag meiner Mama am 1. August. Da war der Bauch wirklich schon riesig!

Eine neue Frauenärztin in meiner Praxis ist Italienerin, die nicht viel von ständigen CTGs hält. Und so konnte ich auch da entspannen und hatte wenig Termine. Ich war echt viel und lange einfach nur zuhause und im Garten. Am 9. August (ich hätte NIE gedacht, dass ich bis da komme) hatte ich einen Arzttermin. Bei der Untersuchung stellte der Arzt fest, dass der Muttermund schon ungefähr 4cm geöffnet sei und dass es jederzeit losgehen könnte. Dieser Satz. Er versuchte eine Eipollösung, um die Geburt anzuleiern.
Dann sagte er, vielleicht eher zum Scherz, dass ich ja eigentlich ins Krankenhaus gehen könnte und sagen könnte: „Mein Muttermund ist geöffnet, können Sie bitte die Fruchtblase öffnen? Ich möchte mein Kind bekommen.“

Ich hab wirklich über diesen Satz nachgedacht, dann aber mit Ärztinnen und Hebammen entschieden, dass das ziemlich gefährlich wäre. Das Baby kann geboren werden, wenn der Kopf ins Becken rutscht. Wenn die Fruchtblase von Hand geöffnet wird und das Baby noch nicht so weit ist, könnte es schief in den Geburtskanal rutschen.
Ich verabschiedete mich vom Frauenarzt in der Gewissheit, dass wir uns erst mit Baby wiedersehen würden. Die Praxis ging in die Sommerpause und ich war nur noch mit der Hebamme im engen Austausch.

In dieser Nacht zum 10. August bekam ich dann tatsächlich einige Wehen. Nichts dolles, aber so, dass wir uns auf den Weg ins Krankenhaus machten. Genau dieses Gefühl wollte ich nicht, diese Unsicherheit! Auf dem Krankenhausparkplatz schauten wir im Auto eine Folge unserer aktuellen Serie fertig.. und die Wehen waren nichts Halbes und nichts Ganzes. Wir gingen zur Notaufnahme, eine junge Krankenschwester war da und meldete uns an. Immerhin waren meine Daten dann schon im System. Im Kreißsaal begrüßt uns eine ältere Hebamme, ich lief da so mit ihr den Gang lang und es hat sich einfach überhaupt nicht nach Geburt angefühlt. Wir machten ein CTG, eine Untersuchung, ich erzählte ihr vom Vorschlag des Frauenarztes… irgendwann entließ sie uns dann. Ich bekam ein gut riechendes Öl zum Einreiben, das die Gebärmutter in die Gänge bringen sollte. Mit voller Fruchtblase und geöffnetem Muttermund kommt trotzdem kein Baby, wenn die Gebärmutter und die Muskeln nicht arbeiten…

Die Kinder konnten es nicht glauben, dass wir in der Nacht im Krankenhaus waren und ohne Baby wieder nachhause gekommen waren! Besonders der Kleine war so ungeduldig…
Und dann war der Termin da. Nichts passierte. Die Nachrichten wurden weniger. Ich hatte die Schwangerschaft tatsächlich komplett geschafft. An den Nachmittagen kam immer mal wieder eine Freundin zu Besuch und zum Ablenken, ich saß da und spürte die Übungswehen und musste einfach warten. Am 11. lud uns eine Freundin ins Eiscafé ein und ich fuhr mit dem Rad, weil das viel angenehmer war, als zu laufen. Ich fand es so verrückt, „überfällig“ da draussen rumzulaufen und auf dieses Baby zu warten! Der Druck nach unten war da! Jede Nacht ging ich mit einem „Heute ist es soweit“-Wunsch ins Bett und jede Nacht wachte ich ausgeschlafen und mit dickem Bauch wieder auf. Die Hebamme vermutete auch, dass nach drei Nachtkindern das vierte Baby auch in der Nacht kommen könnte.

Tatsächlicher Geburtsbericht

Der 10. wäre ein Wunschtermin gewesen. Der 12. und der 14. auch. Unser allergrößter Wunsch war dann doch der 15. August. Dann hätten wir wirklich zwei Kinder am 21. und zwei Kinder am 15. Wie besonders wäre das!

In der Nacht zum 15. August passierte nichts. Ich war so enttäuscht! Was sollte das? Würde ich für immer schwanger sein? Seit Ende Juli ungefähr war ich bereit… das sind Ewigkeiten, umgerechnet in Schwangerschafts-Tage! Die Großen gingen zum Fußballplatz, der Mann wollte zu einer Konferenz gehen, die wir an den Abenden davor immer online von zuhause verfolgt hatten. Er blieb zuhause und kochte Mittag. Der Kleine lag neben mir im Bett, wir hatten da gefrühstückt und er hörte ein Hörspiel. Ich schrieb mit einer Freundin, die an dem Tag vorbei kommen wollte. Um 11.49 Uhr schrieb ich ihr, dass sie gern vorbeikommen könnte, wenn alles ruhig bleibt. Ich hatte ein komisches Ziehen vorne im unteren Bauch, aber das musste ja nichts heißen. Um 12:40 Uhr schieb ich ihr, dass es heute irgendwie doch ein paar mehr Wehen waren, ich wollte mich nochmal melden.

Das Ziehen blieb. Es war regelmäßig und sehr unangenehm. Nicht so, wie ich mir Wehen gewünscht oder erwartet hatte. Ich stand auf und ging ins Bad. Mir wurde ein bißchen schlecht, weil ich wusste: JETZT ist es soweit!
Aus dem Fenster sah ich, wie der Mann zum Einkaufen ging. Ich schrieb ihm eine Nachricht. Er sagte den beiden Großen Bescheid. Ich ging ins Schlafzimmer zu meinem bis jetzt kleinsten Kind. „Mama und Papa fahren jetzt ins Krankenhaus. Das Baby kommt jetzt.“
Er legte die Hände vor der Brust wie zum Gebet zusammen, atmete tief und sagte: „Puuuuh. Einatmen. Ausatmen.“ Zu sich oder zu mir. Er war sehr ruhig.
Eigentlich ist es auch sehr Besonders, sich von den Kindern bewusst zu verabschieden, aber ich fand es so verrückt, tagsüber ein Kind zu bekommen. Ich schnappte mir ein Handtuch, keine Ahnung, warum. Die Wehen waren wirklich blöd und unangenehm. Noch mit Abstand, aber an einer Stelle, wo ich nix wegatmen oder massieren konnte. Diese Stelle kannte ich schon von Kind 3. Furchtbar!!

Um 13:08 Uhr schrieb ich meiner Freundin und meiner Mama, dass wir uns auf den Weg ins Krankenhaus machten. Langsam lief ich zum Auto. Der Sohn kam hinter uns her gerannt und rief: „Auf dem Herd sind Kartoffeln, ich weiß nicht, was ich damit machen soll!“
Der Mann sagte: „Alles gut, ich hab den Großen Bescheid gesagt. Sie sind gleich hier.“ Und er nahm den Baby-Sitz und legte ihn ins Auto. Ist das verrückt! Das Baby kommt!

Im Auto musste ich ein bißchen weinen. Ich hatte Schmerzen, konnte nicht richtig sitzen, war erleichtert und hatte doch Angst. Es war schon jetzt so anders, als ich gedacht hatte. Es war heiß, da waren Menschen und andere Autos unterwegs.. und ich hatte dolle Wehen. So surreal in meinem Kopf. Ich war doch mehr überfordert, als ich gehofft hatte. Und die Wartezeit hat mich erschöpft.. Ich war verunsichert, weil ich nicht bestimmen konnte und vielleicht nicht loslassen konnte.

Am Krankenhaus war die Schranke zum Eltern-Parkplatz zu! Wir mussten zum Besucher-Parkplatz, aber mein Mann ließ mich vorher aussteigen. Allein mit meinem Handtuch schlich ich zur Notaufnahme. Wenn eine Wehe kam, drückte ich meine Hände auf meine Knie und versuchte, diese Schmerzen im unteren Bauch wegzuatmen. Am Parkplatz war gerade ein Ticket-Kontrolleur, aber als er mich sah, erließ er meinem Mann das Ticket und ließ uns schnell weiter. In der Notaufnahme waren zwei ältere Krankenpfleger, die mich anschauten und ein Gespräch anfangen wollten. „Na? Kommt das erste Kind? Brauchst du einen Stuhl? Wirklich nicht??“
Ich war so genervt! Ich wusste: Das ist jetzt echt, ich hab’s eilig, auch wenn man das nicht sieht und ich will in diesen Kreißsaal!

Im Fahrstuhl war es ungefähr 13:30 Uhr und mein Mann schrieb der Hebamme, dass wir im Krankenhaus waren. Oben empfing mich wieder die ältere Hebamme mit den Worten: „Na, diesmal ist es anders, oder?“ Neben ihr stand eine Schülerin oder so, ein kleines aufgeregtes Komitee. Und ich war so genervt und hatte wirklich dolle Schmerzen. Aber es sah für sie nicht nach „Ende der Geburt“ aus, denke ich. Ich versteh so gut, warum viele Geburten in Ruhe und Dunkelheit stattfinden.

Die Hebamme wollte mich untersuchen und bitte nicht im Stehen. Aber ich wollte nicht. Ich war mir sicher, dass es nicht mehr lange dauerte und ganz sicher wollte ich mich nicht auf den Rücken legen! Ich fragte, ob sie jetzt vielleicht die Blase öffnen könnte. Ja, aber nicht ohne Untersuchung. Die Wehen waren sehr schmerzhaft, aber es gab kleine Pausen. Ich hielt mich an meinem Mann und meinem Handtuch fest und zusammen gingen wir in den Kreißsaal. Es war ruhig und leer dort. Ich kniete mich dann aufs Bett, damit sie untersuchen konnte, weil sie doch darauf bestand. Die Hebamme wirkte leicht überfordert, es war hektisch und da waren irgendwie auch andere Frauen im Raum. Ich weiß nicht, warum. Mein Mann fütterte mich die ganze Zeit mit Traubenzucker. Er war aufmerksam und die ganze Zeit 100% da und ich drückte seine Hand fest!

Nach der Untersuchung um 13:40 Uhr, die eine vollständige Öffnung ergab, stellte ich mich wieder ans Bett. Ich konnte die Schmerzen nicht aushalten! Und genau das wollte ich nicht. Ich hatte mir erhofft, zu atmen und auszuhalten und etwas Zeit zu haben.. aber es war schlimm. Es war hell und heiß und hektisch und ich hab mich überhaupt nicht gut aufgehoben gefühlt. Meine Augen hatte ich die meiste Zeit geschlossen, aber ich bekam mit, was um mich herum passierte und mir war die ganze Zeit bewusst: Krass, wie tut das weh!!!!

Ich stand seitlich am Bett. Die Hebamme fragte, ob ich gern Lachgas haben wollte. Ich hatte keine Ahnung, was das helfen könnte und sagte zu. Über jede Erleichterung war ich so dankbar. Diese Maschine wurde ins Zimmer geschoben und ich atmete ein paar Mal in diese Maske, merkte aber keinen Unterschied. Die Hebamme öffnete dann die Blase auf meinen Wunsch oder mit meiner Zustimmung. Es kam nicht sehr viel Fruchtwasser heraus, vielleicht war der Kopf schon ganz unten. Es drückte sehr!

Vorher hatte ich mir vorgenommen, langsam zu pressen und abzuwarten, nachdem der Kopf geboren war. Bei den anderen Kindern hatte ich das nicht geschafft, was natürlich kleine Geburtsverletzungen zur Folge hatte. Nun merkte ich, dass ich pressen musste. Mein Mann sah das und sagte noch vorsichtig: „Marit, nicht mit Gewalt, ja?“ Aber dieser Druck, meine Güte! Ich drückte mit… und mit einem Schrei von mir und einem großen Platschen war das ganze Baby und ganz viel Wasser da. Die Hebamme fing es sicher auf und fädelte Baby und Nabelschnur zwischen meinen Beinen aufs Bett. Und da lag es!

13:52 Uhr
Um 13:08 Uhr sind wir zuhause losgefahren.

Ich war ein paar Sekunden nicht ganz da – erst, als ich die Hebamme sagen hörte: „Ach, da ist ja die Kleine!“ fiel mir ein, dass ich nach dem Geschlecht des Babys schauen wollte. Das hatte ich in dem ganzen Schmerz und Stress total vergessen. Sowieso war ich immer von einem Jungen ausgegangen. Und ihren Satz nahm ich nicht als „Es ist ein Mädchen.“ wahr, sondern eher als Erinnerung, dass ich nachgucken muss. Vor mir lag dieses kleine blutige, schmierige, warme Baby, es hatte die Nabelschnur zwischen den Beinen. Ich sah nach – und konnte es nicht glauben!

„Es ist ein Mädchen!!!“, sagte ich und drehte mich zu meinem Mann.
Nur für diesen Blick hatte sich alles geheim-halten gelohnt, sagte er.
Ich brauchte wirklich ein paar Tage, um das zu begreifen!

Ich stand am Bett und rieb mein Baby ab und sagte die wunderbaren ersten Worte zu meiner Tochter: „Ach man.. sowas musst du auch mal erleben, du Arme!“

Die Situation im Kreißsaal wurde leider nicht ruhiger und gemütlicher. Es war immernoch sehr hell und warm. Die Hebamme und Schülerin waren mit der Schnelligkeit echt überfordert. Insgesamt waren wir zu viert oder fünft und der Raum war eng, es kam mir sehr voll vor. Und ich glaube, die ältere Hebamme hatte um 14:00 Uhr Feierabend. Sie hatte vielleicht gehofft, die Geburt an die nächste Schicht abgeben zu können. Natürlich musste sie bleiben. In meiner Erinnerung war sie hektisch und genervt, was ich als unangenehm empfand. Wir beide waren in FlipFlops und der feuchte Boden machte der Hebamme Sorgen, sie hatten Angst, mein Mann würde da ausrutschen.

Mein Mann bekam das Baby in ein Krankenhaus-Handtuch eingewickelt, damit ich mich aufs Bett legen konnte. Sie war sehr ruhig und lieb und er redete leise mit ihr. In meinem Kopf war es so klar, dass sie auf meine Brust gelegt wird. Aber das passierte nicht. Und ich sagte nichts. Ich frage mich jetzt hinterher, warum ich nichts gesagt habe. Scheinbar habe ich meinem Mann das vorher auch nicht deutlich gesagt. Ich fand es irgendwie doof, aber sie war friedlich bei Papa und er passte gut auf sie auf, als erste Untersuchungen gemacht wurden. Ich musste auch einige unangenehme Untersuchungen über mich ergehen lassen, als eine Ärztin kam und auf meinem Bauch herumdrückte. Ich konnte nicht glauben, dass die Hebamme dann anfing, vorsichtig an der Nabelschnur zu ziehen.. Ich bekam etwas Oxytocin und die Plazenta kam nach wenigen Minuten vollständig. Warum diese Eile?? Irgendwann hörte die Blutung auf und ich konnte problemlos und schmerzfrei genäht werden. Und dann bekam ich mein Baby!

In meiner Erinnerung hatte ich ab und zu gesagt, dass ich das nicht möchte oder anders möchte. Mein Mann sagt, ich war nicht deutlich genug. Mit Abstand ist es mir jetzt eigentlich egal und ich möchte nicht nachtragend sein. Aber ich hab mich nicht gehört und nicht gesehen gefühlt, wenn ich eben nicht genug gesagt habe. Das sind diese kleinen Fälle von Übergriffigkeit und Routine, finde ich – vielleicht harmlose Fälle, aber es hat mich traurig gemacht und noch lange beschäftigt.

Ein paar Kleinigkeiten sind uns mit der Hebamme später noch aufgefallen, die entweder nicht notiert oder vergessen wurden. Der Kopfumfang wurde nach der Geburt mit 38cm aufgeschrieben – das ist relativ groß und hätte die dollen Schmerzen und den Druck erklärt. Einige Tage später beim Kinderarzt kamen sie trotz mehrerer Versuche immer nur auf 36cm. Ich weiß es nicht… Am Ende habe ich ein sehr gesundes Baby mit den allerbesten Werten (Apgar 10/10/10) und die sehr junge Hebamme der nächsten Schicht hat sich ganz allein und mit viel Ruhe um uns gekümmert. Wir sind nach 2 Stunden in ein Zimmer umgezogen. Ich konnte zur Toilette gehen, ich konnte Kaffee trinken und etwas essen. Das Baby hat ein paar Schlückchen getrunken und ich wurde ganz liebevoll betreut, wir konnten uns wirklich ausruhen und den Nachmittag ruhig im Krankenhauszimmer genießen. Der Mann war mit den Jungs im Gespräch und wir verteilten die ersten Nachrichten über unser kleines Überraschungsmädchen. Das war wirklich der Knaller! Um 18:45 Uhr konnten wir uns verabschieden und nachhause gehen.

Wir wurden von allen drei Jungs an der Tür begrüßt – mein Herz war übervoll!

Ich habe das Wochenbett streng oben in meinem Bett verbracht, habe den Still-Start tapfer und ohne zu große Probleme geschafft, hatte erstaunlicherweise kaum Nachwehen und die Kleine hat so viel geschlafen und kaum geschrieen. Heute ist sie 22 Wochen alt. Ich stille noch immer voll. Ja, mit Stillhütchen. Sie ist noch immer ein sehr friedliches, zufriedenes, fröhliches Baby und wird über alle Maßen geliebt!

Ich merke, wie die Dinge, die mich nach der Geburt geärgert haben, in den Hintergrund rücken und verblassen. Vielleicht ist der Klinik-Alltag eben doch so, wie er ist und jede Frau muss gut für sich sorgen. Vielleicht habe ich das eben nicht geschafft.
Ich habe mich auch gefragt, ob und wie die Gebete erhört wurden, die ich gesprochen habe. Anders, als erwartet. Wir waren geschützt und in guten Händen, wir haben gute Entscheidungen getroffen und waren gut begleitet, ich war klar im Kopf und konnte wenige Stunden nach der Geburt locker nachhause laufen.. das alles sind Faktoren, die nicht selbstverständlich sind und in jeder Minute hat ein großer Gott seine Hände über uns gehalten! Am Ende bin ich sehr dankbar für eine Geburt, die nicht im Auto oder zuhause stattfand, für ein absolut gesundes Baby, für sehr schnelle gute Rückbildung, für das Stillen, für den Moment, zu den großen Jungs nachhause zu kommen und für so viele wertvolle Familien-Momente zu sechst!

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Respekt, wer bis hier mitgelesen hat!
Ich bin erleichtert und aufgewühlt, aber jetzt habe ich auch diesen langen Bericht fertig geschrieben! Ich kann damit abschließen, ihn immer und immer wieder lesen und staunen über diese Geburtsreise!

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Kind 1

Kind 2

Kind 3


Ich bedanke mich von Herzen fürs Mitlesen und Mitfiebern

bei dieser unserer besonderen Geschichte!
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Dankeschön!

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