Wundervoll

Wer von euch hat im Urlaub schon Wertgegenstände verloren?
Das Ostseewasser und der viele Sand bietet ja genug Möglichkeit dazu.
Aber obwohl man das weiß, passiert es doch immer wieder.
Mein Ring ist verlorengegangen und ich verrate euch: Er wurde wiedergefunden. Trotzdem erzähle ich euch die Geschichte!

Vor ein paar Tagen entschieden wir uns abends noch dazu, kurz schwimmen zu gehen. Weil mein Ehering ein bißchen zu groß ist und leicht abrutscht, besonders, wenn ich kalte Hände habe, zog ich ihn vor dem Schwimmen ab.
Ich gab ihn meiner Mama – eigentlich unbewusst, aber ich dachte mir:
Wenn jemand gut darauf aufpassen wird, dann ist das Mama!

Nach dem Schwimmen zogen wir uns schnell an, weil wir zum Abendessen gehen mussten. Danach fuhren wir in eine Stadt in der Nähe, um zusammen Eis zu essen. Kurz vor dem Cafè lief ich neben meiner Mama, hob beiläufig meine rechte Hand und tippte mit dem Daumen auf den Ringfinger, um meinen Ehering wiederzubekommen. Sie sah mich erschrocken an und fragte: „Habe ich ihn dir noch nicht wiedergegeben?“ Ich sah in ihrem Gesicht, dass sie sich jetzt verunsichert und angestrengt zu erinnern versuchte. Obwohl meine Gedanken sofort dem Ring auf ewig hinterhertrauerten, wussten wir ja noch nicht genau, ob sie ihn irgendwo abgelegt oder wirklich im Sand verloren hatte. Ein paar von uns waren sicher, sie hätte den Ring niemals verloren, sondern nur beim Hände waschen oder eincremen abgezogen – aber sie selbst sah nicht sehr hoffnungsvoll aus. Mein Mann versicherte ihr, dass sie sich keine Sorgen machen sollte und wir bestellten unser Eis.
Ich war mir sicher, dass wir den Ring – wenn er am Strand verloren gegangen war – niemals finden würden. Es ist ja eigentlich kein Problem, einen neuen zu kaufen (als mir mein Mann den Preis sagte, den er in Erinnerung hatte, wurde mir allerdings ordentlich schlecht – ich hatte mir eine völlig andere Zahl gemerkt) und wir wollten meinen sowieso immer mal enger machen lassen – aber MEIN Ring lag vielleicht irgendwo im Sand! Der Ring, wo MEINE Gravur drin stand und der Ring, den mein Mann MIR zur Hochzeit aufgesteckt hatte.. Ich wollte nicht, dass ein Stück mit so vielen Erinnerungen am Strand liegt und ich wollte schon gar nicht, dass ihn irgendjemand findet! Aber wenn ein Ring in den Sand fällt, ist er sofort versunken und würde nicht einfach aufgehoben werden können. Wenn ich den Ring am Finger habe, denke ich natürlich nicht täglich an die Erinnerungen, die damit zusammen hängen, aber an dem Abend hat mich diese Ungewissheit schon traurig gemacht.

Während wir unseren leckeren Eisbecher aßen, drehten sich unsere Gedanken trotzdem weiter um den Ring. Meine Eltern waren inzwischen zu einem Konzert weitergelaufen, so dass wir Mama nicht mit Fragen löcher konnten.
Und wie viele Möglichkeiten gab es schon?
Hatte sie den Ring am Finger oder in einer Tasche?
Lag er am Strand? Wo? Meine Mutter saß erst oben an den Dünen und war dann aber mit Emilian zum Wasser gelaufen.
War er auf dem Weg nachhause abgerutscht? 700m Fußweg zum Hotel durch Wald und Sand und Strassen.. Und es wurde langsam dunkel.

Obwohl die Chancen wahrlich schlecht standen, wollten wir es wenigstens versuchen. Mein Bruder wollte unbedingt zum Strand zurück – er hatte ein paar Tage zuvor Männer beobachtet, die abends mit Metalldetektoren am Strand spazierten, um verlorene Münzen zu sammeln. Diese Männer wollte er abpassen. Mein Mann und meine Schwester begleiteten ihn. Ich fuhr mit meiner anderen Schwester und den Kindern nachhause.. ein ganz kleines „vielleicht“ schwirrte in meinem Kopf, aber eigentlich war der Ring verloren und lag eben irgendwo rum. Jeder betete im Stillen, aber was für ein Wunder sollte das sein?

Nach einer Weile kamen die drei wieder. Ich verkniff es mir, meinen Mann hoffnungsvoll anzugucken, um keinen traurigen Blick zu sehen – aber er kam zu mir und überreichte mir wortlos meinen Ring. Im ersten Moment war ich sicher, dass er erstens den Ring die ganze Zeit hatte und uns nichts gesagt hatte oder dass er zweitens schnell einen ähnlichen Ring gekauft hatte.. unwahrscheinlich, ich weiß. Aber dass er meinen Ring dort hatte, kam mir noch unwahrscheinlicher vor.

Und hier ist die Geschichte, die an diesem Abend noch mehrmals erzählt wurde:

Zuerst fuhren sie zum Waldweg, der zum Strand führte und beleuchteten den Weg mit den Autoscheinwerfern. Als sie so nebeneinander gingen und suchten, zog mein Mann seinen Ring ab, warf ihn auf den Boden, hob ihn wieder auf und zeigte ihn erfreut meinen Geschwistern, die ihm kurz seinen Spaß glaubten. Dann ließ er ihn erneut testweise fallen, um zu sehen, wie sichtbar der Ring noch war – er versank sofort tief im Sand. Aussichtslos!
Weiter am Strand fingen sie erst an, den Sand an möglichen Stellen mit den Fingern zu durchkämmen. Unten am Wasser und oben, wo Mama gesessen hatte. Nichts. Mein Bruder entdeckte einen polnischen Vater und seinen Sohn, die mit den Detektoren und Sieben den Strand absuchten. Diese Dinger machen ihre Geräusche auch bei Bierdeckeln oder Müll aus Metall, nicht jeder Piepton bedeutete also einen kostbaren Fund oder ein paar kleine Münzen zum dazu-verdienen. Irgendwie gab er ihnen zu verstehen, dass er ihre Hilfe brauchte. Der Vater suchte dann auf einer Seite und der Junge suchte mit seinem Kinder-Detektor auf der anderen. An der Stelle, wo Mama gesessen haben könnte, versagten die Batterien des Gerätes von dem Jungen und er flitzte los, um neue zu besorgen. Als er endlich wieder da war, sagte mein Bruder: „So, und jetzt macht er das Ding wieder an – und da ist der Ring!“ Der kleine Junge spielte oder probierte ein bißchen mit dem Gerät und hielt es dann zum Test auf den Boden. Es piepte, er nahm sein Sieb, um zu suchen und fing an zu lachen. Er rief seinem Vater irgendetwas zu und unsere Leute liefen zu ihm, um in das Sieb zu gucken.
Ein Ring! Mein Mann nahm ihn und sah, dass es meiner war!
Trotz der Sprachschwierigkeiten war der Erfolg offensichtlich und alle wussten Bescheid. Den Finderlohn wollten die beiden nicht, also nahm mein Bruder schnell alle Scheine, die er bei sich hatte und steckte sie dem Jungen in die Tasche.
Meine Mama hatte den Ring also nicht irgendwo abgelegt oder vergessen – er war ihr an der Stelle, wo sie saß, vom Finger gerutscht, als sie mit Emilian eine Sandburg gebaut hatte.

Comments

  1. Kuhley, Hannelore says:

    Wir freuen uns mit Dir. Ich lese gerade ein Buch „Wunder und Wunderbares.“ Da würde Deine Geschichte dazu passen. Gruß Oma

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