Ich könnte euch heute ausgiebig erzählen, wie einsam ich mich gerade fühle.. wie fehl am Platz.
Wir haben keinen Besuch, mein Mann geht wie normal zur Arbeit und hat das Auto und logischerweise sind ALLE Familien und Freunde um uns herum im Weihnachtsstress. Jubel, Trubel, Heiterkeit. Wäre ich wahrscheinlich in Berlin auch. Aber hier leben wir unser Leben weiter, als wäre September, oder so. Aber irgendwas ist doch anders.
Noch 5 Tage… ich kann es nicht glauben!
Wir haben keinen Weihnachtsbaum, ich habe (bis jetzt) kein einziges Geschenk für die Kinder gekauft und wenn die Sonne durchs Fenster strahlt, habe ich auch keine Lust, Weihnachtsdeko zu basteln. Es ärgert mich, dass ich meiner Familie zuhause keine Geschenke machen kann. Ich habe keine Lust mehr, Plätzchen zu backen, weil wir schon die erste Ladung kaum aufessen können.
Manchmal werde ich mitleidig angeguckt, weil wir nichtmal einen Baum haben. Und: „Was??? Eure Kinder wissen, dass ihr die Geschenke bringt?“ Yep. Und sie haben auch keinen Wunschzettel geschrieben und ich werde sie nicht auf den Schoß irgendeines fremden, dicken Weihnachtsmannes setzen, um ein Foto davon zu machen! Emilian hat gerade die Geschichte von „Rudolph“ kennengelernt und freut sich über die „verkleideten“ Autos. Aber ob er weiß, dass das was mit Weihnachten zu tun hat? Wir Eltern haben uns an einem Abend den ur-alten Film von „Frosty, the Snowman“ angeguckt, weil wir wissen wollten, ob wir ihn unseren Kindenr zeigen können. Ähm.. nein. Die Bildungslücke lassen wir ihnen noch.
So fühlt es sich an, nicht zuhause zu sein.
Falsch irgendwie.
Ich wünsche mir ein bißchen, dass ich dieses Gefühl behalten und hervorkramen kann, wenn mir in Berlin – zu Weihnachten oder an anderen Tagen – Menschen begegnen, die sich fremd und falsch fühlen. Ich kann euch verstehen!
Wir werden zu einem der sechs Weihnachtsgottesdienste in der Kirche gehen und dann ganz in Ruhe die Geschenke auspacken, die wir aus Deutschland bekommen haben. Wir werden zusammen essen, die Weihnachtsgeschichte lesen oder angucken – und vielleicht an den Strand gehen, denn es sollen 26 Grad werden. Die Sonne wird die Trauer schon wegstrahlen. So sehr wir auch in Deutschland versuchen, den Trubel um Weihnachten nicht zu übertreiben – so ganz ohne ist auch doof. Mir fehlen so viele Kleinigkeiten.
Nach Weihnachten wird mein Mann Urlaub haben und dann kommt auch schon der nächste Besuch. Aber bis dahin muss ich mir noch ein paar Beschäftigungen ausdenken..
Das war schon viel zu ausgiebig… und darum lassen wir die schlechte Laune sein und kommen ohne Umschweife zu den neuesten Kindersprüchen!
Liams Sprachschatz ist explodiert.. unglaublich!
Buchstaben, wie F oder L oder K, die er vor ein paar Tagen unmöglich sagen konnte, kommen jetzt. Mit seinen Erfolgen wächst unser Lob und widerum sein Stolz und sein Ehrgeiz.
Emilian ist der beste Lehrer: „Liam, sag‘ mal ‚wunderbar‘!“
„Sumbaba!“
„Wun der bar.“
„Wun da baa.“
Es ist trotzdem so süß, wenn Liam zum Beispiel geschafft hat, seine Schuhe anzuziehen, aufsteht und sagt: „So. Sumbaba!“
Emilian hatte sich unser Gespräch über Kalorien gemerkt. Fast.
„Rennen muss man immer. Sonst kriegt man Kalorien.“
Wir haben LED-Teelichter (Amerikaaa!), die die Kinder gern mit ins Bett nehmen, um ein kleines Leuchten zu haben. Liams Kerze war an einem Tag verschwunden und ich versprach, sie zu suchen – vergaß es aber. Am nächsten Vormittag hörten wir Kinderlieder. In einer Zeile hieß es: „Hab‘ ich Schmerzen im Herzen bist du immer da für mich…“ Liam guckt auf und sagt: „Aaah! Kerzen suchen!“
Wir essen in einem Restaurant, Liam fällt ein Pommes runter und er sagt: „Oh man, meine Güte!“
(Und sowas von einem Kerl, der bis vor Wochen überhaupt nix sagen konnte.)
„Emilian, musst du nochmal auf die Toilette, bevor wir gehen?“
„Nein.“
Minuten später: „Ich hab mich verfühlt, ich muss doch.“
Wir sind auf einer langen Autofahrt, ich sitze hinter den Kindern und bespaße sie mit einem Handspiegel. Sie sind beschäftigt und amüsieren sich. Nach einer Weile versucht Emilian, mich im Spiegel zu finden. Dann gibt er ihn mir und sagt: „Mama, möchtest du sehen, ob dein Gesicht schlimm ist?“
Liam lacht gern und viel. Manchmal kichert er, weil er etwas beobachtet, manchmal lächelt er, weil er sich auf etwas freut und manchmal muss er laut gackern. Seine Augen blitzen voller Schalk, wenn er etwas angestellt hat. Oder er grinst uns schlau an, streckt einen Finger in die Luft und sagt: „Ah! Idee!“
Wir wissen, wie wir ihn zum Lachen bringen können, aber er kann das auch gut allein. Vom Lachen bekommt er nämlich manchmal Schluckauf – über den er lachen muss – was noch mehr Schluckauf macht – und so weiter.
Emilian bestellt sich nach Monaten des Müsli-Essens ein Honigbrot zum Frühstück. Nach dem ersten Biss sagt er: „Honigbrot. Einfach köstlich.“
Papa verschwindet mit dem Auto und Liam fragt: „Äääh? Papa hin??“
„Papa geht jetzt zum Friseur.“
Liam zieht an seinem Haar und sagt: „Ich auch!! Aus Huhn!“
(Ich sehe aus, wie ein Huhn – ich muss auch zum Friseur. – Keine Ahnung, woher er das hat.)
Nach dem Duschen putzen wir die Ohren mit einem Wattestäbchen. Liam bekommt eins, steckt es sich in die Ohren, dreht, holt es heraus, zeigt es mir und sagt: „Yellow.“
An einem Morgen sagt Emilian vor dem Anziehen: „Ich möchte am liebsten jetzt alles schon machen, was man so macht.“
Liam hilft mir so gern, die Spülmaschine auszuräumen. Er reicht mir Stück für Stück entgegen und ich räume es in die Schränke. Bis jetzt ist erst ein Glas dabei zu Bruch gegangen. Bei einem Mal fragte er nach den Farben der Dinge, besser gesagt: Er hielt mir eine grüne Schüssel hin und fragte: „Bauuu?“ (Er kann nur blau) Also sagte ich zu jedem Teil die Farbe und er sprach mir nach. Als nur noch vier weiße Tassen im Gitter waren, ging es:
„Das?“
„Weiß.“
„Weisss. – Das?“
„Weiß.“
„Weisss. – Das?“
„Weiß.“
„Hää? Auch weisss?“
Mit mehr Wörtern, die er kann, wünscht sich Liam mehr und mehr, vor dem Essen beten zu dürfen. Weil man sich nicht einigen kann, beten meist beide Jungs. Liams erstes Gebet war so: Er saß alleine am Tisch und aß irgendwas kleines, einen Apfel oder ein Joghurt. Er legte die Hände zusammen, hielt sie an die Stirn (das hat er in der Kinderbetreuung gelernt) und sagte: „Liebaa Gott, danke Essen, Trinken…“ , er sah auf, stellte fest, dass er gar kein Getränk hatte, hiefte sich aus dem Hochstuhl, flitze los, um seine Flasche zu suchen, setzte sich wieder hin, stellte die Flasche ab: „Liebaa Gott, danke Essen, Trinken. Äimään!“ (Auch aus der Kinderbetreuung..)
Meine Freundin spielt ein neues Spiel mit Emilian.
Sie denkt sich ein Tier aus und er muss durch Fragen erraten, welches sie meinte.
Wir spielen und spielen es. Emilian kann es gut.
Als er sich wieder mal ein Tier ausgedacht hat, frage ich los:
„Lebt es im Wasser?“
„Nein.“
„Lebt es auf dem Land?“
„Nein.“
„Lebt es in der Luft?“
„Nein! Der lebt übahoopt nicht mehr!!! Ich meine einen Dinosanno Saurus Rex.“
Wir haben so gelacht!
Liam entdeckt Bonbons. Er wurschtelt an ihnen herum, ich sage ihm aber, dass das Emilians Bonbons sind. Der Kleine guckt mich mit einem Überzeugungs-Blick an und sagt: „Gaaaaal, odaa?“ (Egal, oder?)
Emilian kann sich nicht trennen und flüstert mir kurz vor dem Einschlafen zu: „Mama? Sagst du mir noch, was dein größter Wunsch ist?“ Weil ich ihn irgendwie nicht einfach abfertigen will und ihm diesen „letzten“ Wunsch ehrlich erfüllen – aber doch schnell aus dem Kinderzimmer möchte, sage ich: „Dass wir alle gesund bleiben.“
„Und ich wünsche mir, dass ich von einem Dinosaurier träume, der pupst und es stinkt nicht…“
Liam hat sich weh getan und weint sehr.
Als er sich beruhigt hat und eine Träne an seinem Auge fühlt, sagt er: „Da. Auge weint.“
In einer Mittagspause schläft Liam und Emilian spielt. Als Liam wach wird, spielt Emilian gerade ein Spiel auf dem iPhone, in dem er Essen zubereiten muss. Er sagt: „Mama, jetzt habe ich aber Appetit auf ein Würstchen. Darf ich ein Würstchen essen?“ – „Möchtest du nicht lieber Plätzchen oder eine Banane?“ – „Nein, lieber ein Würstchen.“
Sprach’s, verschwand am Kühlschrank und holte sich ein Würstchen. Der gerade wach-gewordene Liam wollte auch eins und so saßen sie beide gegen 15:30 Uhr auf der Couch und aßen Würstchen…
Am Frühstückstisch sage ich: „Wollen wir uns ein Haustier kaufen, wenn wir wieder zuhause sind?“
Emilian: „Jaaaa! Eine Schildkröte!“
Liam: „Iche Baby-Fant haben!“
Emilian malt mir ein Bild, auf dem zwei Menschen gut zu erkennen sind. Weil ich ihn eigentlich nie haben malen sehen, wundere ich mich über das gute Bild und frage: „Mensch Emilian, warum kannst du denn auf einmal so gut malen?“ – „Weiß ich nicht. Ich glaube, einfach so bin ich ein Künstler geworden.“