Erster Schultag

Ich muss einfach hier schreiben, wie es weiter gegangen ist. Für euch, weil so viele von euch mitfiebern und sich freuen (Danke!) – und für mich, als Erinnerung und für’s Herz.

Meinem Herz geht’s nämlich gut.
Vor 2 Jahren fiel es ein bißchen schwerer, den großen Sohn einzuschulen. Mir und ihm.

Liam war besser vorbereitet und wusste, was „Schule“ bedeutet und dass er das auch wollte. Bis zum Ende wusste ich zwar nicht, ob sein Mut und seine Coolness reichen würden, aber alle Vorbereitung und die Einschulung hat er locker mit links gemacht.

Heute ging es also los.
Und der Liam, der zu Kita-Zeiten um 8:30 Uhr lange geweckt werden musste, wachte heute um 6:30 Uhr auf und grinste mich an. – Der Morgen verlief gut und nach dem obligatorischen Foto, das ich schon zum dritten Mal machte, liefen wir zum ersten Mal zu dritt los.

Emilian wollte Liams Klassenzimmer mal sehen und kam mit zu uns. Aber die Lehrerin war noch nicht da und so verschwand er in die andere Richtung. Mit der Klassenlehrerin und anderen Familien zusammen gingen wir dann zum Raum und übten zum ersten Mal das Umziehen an der Garderobe.

Im Klassenzimmer brachte ich Liam zum Platz und hängte die Tasche mit allem Material an seinen Tisch. Er wollte gleich die Postmappe leeren und die Post abgeben und wollte, dass ich mit zum Lehrertisch kam. Darum bat er mich einfach so, nicht ängstlich oder weinerlich.

Er setzte sich neben seinen Freund und ich machte schnell ein Foto. Mit einem High Five verabschiedete er sich und ich ging. Unten traf ich Emilian und durch Zufall merkten wir, dass er seine Brotbox zuhause vergessen hatte. Ich quatschte kurz mit einer Mama, fuhr mit dem Fahrrad nachhause, wieder zur Schule und zurück.

Mein Mann und ich frühstückten zusammen.
Das war unser erster Morgen mit nur einem Kind seit Wochen!

Zusammen mit Jari räumte ich ein bißchen, sortierte neue Marmeladen für unser Sommerfest im September und dann wollte ich Liam gern gleich nach Schulschluß abholen. Zum dritten Mal an diesem Tag lief ich unseren Schulweg und versuchte auf dem Schulhof, schon bekannte Erstklässler zu treffen. So voll kam mir der Spielplatz vor!

Ganz kurz lief die Lehrerin an mir vorbei, sie war auf der Suche nach Schuhen eines Jungen und sie sagte nur: „Es war gut heute. Ihm war zwischendurch ein bißchen schlecht, wahrscheinlich die Aufregung.“ Und dann kam Liam mir entgegen. Nicht gerade überglücklich. Er sah müde aus und erzählte mir auch gleich, dass er Bauchschmerzen gehabt hatte. Er hatte wohl ein bißchen geweint und durfte sich in einem anderen Raum ausruhen. Eine andere Frau hätte Schul-Übungen mit ihm gemacht und das hätte ihm sehr gefallen.

Er war schlapp, wir begrüßten Emilian kurz, der weiter Unterricht hatte, und liefen nachhause. So ein Schulweg von 20 Minuten kann lang sein, aber er hilft auch, abzuschalten. Und als wir zuhause ankamen, ging es Liam schon viel besser.

Die Aufregung wechselte sich mit Langeweile ab und wieder zurück. Was soll so ein kleiner Mensch nach so einem vollen Tag auch sagen? Natürlich langweilt er sich, weil er die Schule durch seinen großen Bruder kennt. Und andere nicht. Und weil er weit zählen und komplett lesen kann. Und andere nicht.
Aber trotzdem braucht er Zeit, um all das Neue und überhaupt diesen neuen Lebensrhythmus kennenzulernen.

Diese Frau, die mit ihm diese „Übungen“ machte, ist eine Sonderpädagogin, die das Wissen und die Fähigkeiten der Kinder einschätzt, um der Klassenlehrerin ungefähr zu sagen, wie der Stand ist. Ich vertraue darauf, dass Liam gut gefordert und gefördert wird, denn Langweile bekommt ihm nicht.

Er, der erfolgreich geplant hat „Wenn ich viele Leute zu meiner Einschulung einlade, bekomme ich auch viele Geschenke“, weiß nämlich auch „Wenn ich in der Schule sage, dass ich Bauchschmerzen habe, rufen sie Mama an und sie holt mich ab“.

Ich möchte jetzt nicht sagen, dass er keine wirklichen Schmerzen hatte und dass er uns austrickst, oder so. Aber Liam ist nicht dumm. Und er möchte so gerne lernen. Und wenn in der Klasse ein Tanz ähnlich „Kopf, Schulter, Knie und Zeh“ getanzt wird, dann hat er dazu keine große Lust.

Aber heute war der erste Tag und wir warten ab und ermutigen und loben und bewundern ihn. „Schule“ bedeutet nämlich auch: Freunde finden. Regeln kennenlernen. Abläufe finden. Und so. Und das wird Liam lernen.

Er hat am Nachmittag sehr ausgelassen und lange und fröhlich gespielt und ich hab mich sehr gefreut, dass er diese Zeit und den Raum dazu hatte – und wieder einfach sein durfte.

So, wie Emilian schon von Geburt an eher ausgeglichen und stetig und gelassen und vorsichtig ist, so ist Liam eben himmelhochjauchzendzutodebetrübt in einer Minute. Er lacht, dass wir alle uns beim Zuhören schon fast vor Lachen in die Hosen machen – und er schreit vor Schmerz, als würde ihm ein Bein abgefallen sein.. wenn er kurz gestolpert ist. Aber so ist das. Und so, wie er heute Nachmittag drauf war, geht es ihm gut. Vielleicht gesteht er es sich noch nicht ein, aber ich denke, er findet Schule toll!

Als ich zum vierten Mal zur Schule lief, um Emilian abzuholen, durfte Liam zuhause bleiben und sich ausruhen.

****

Der Beitrag ist wieder lang geworden, aber es ist mir wichtig, noch ein paar Erfahrungen an andere Eltern weiterzugeben.

Nehmt euer Kind wahr.
Redet über den Schultag. Fragt nach. Bleibt dran.
Ermutig, ermutigt, ermutigt und bestärkt.

Schule geht die ganze Familie an.
Und so lange sich meine Kinder begleiten und bemuttern lassen, nutze ich das voll aus. Ich möchte sehen, wo sie lernen und gesehen werden. Ich möchte andere Kinder und Eltern kennenlernen und den Kindern ein gutes Netz bauen.

So ein Schulweg ist sehr gut zum Reden und Verarbeiten. Die Jungs können trotten oder rennen, hüpfen oder Steine kicken.. und ich laufe einfach nebenher und höre oder stelle Fragen. Meine Neugier verpacke ich in ganz viel Staunen und Bewunderung. Von Emilian erfahre ich viel und das, was er erzählt, stimmt meist. Bei Liam höre ich viel zwischen den Zeilen oder warte lieber auf den Abend, wenn ich an seinem Bett stehe. Aber ich nehme das ernst.

Mit Situationen wie Langeweile oder Angst vor der Schule oder Lehrer-Problemen muss und möchte ich als Mama irgendwie umgehen.
Ich kann der Lehrerin nicht sagen, was sie zu tun hat.
Und ich kann dem Kind nicht alle Sorgen und Probleme aus dem Weg räumen.
Aber ich kann da sein, zuhören und Hilfe anbieten.
Und ich möchte dem Kind und dem Lehrer zeigen, dass ich sie respektiere und ihnen vertraue.

In Emilians Klasse gibt es immer mal wieder Unruhen. Mal geht es um ein Kind, dann ist die Lehrerin schwanger geworden, es entstand eine Lücke. Unterricht musste ausfallen und auch jetzt ist die neue Lehrerin seit Schulbeginn noch nicht da gewesen. Natürlich ist das schade und ungünstig und doof. Es geht um eine Bezugsperson und um eine wichtige 3. Klasse.
Aber was sage ich meinem Kind, wenn ich schlecht über die Lehrerin rede oder ihn bedauere?

Ich habe ihn heute danach gefragt und war beeindruckt, wie gut er das ausdrücken konnte. „Wir hatten viel Vertretung und die anderen Lehrer sagen, uns als Klasse tut das nicht gut, dass wir nicht wissen, wo unsere Lehrerin ist. Wir wissen ja nicht, ob sie krank ist oder nicht mehr unsere Lehrerin sein will…“

Das ist fast herzzerreißend und ein Erstklässler-Emilian hätte das nicht so gut verkraftet. Ich weiß auch nicht, warum die Lehrerin nicht kommt – aber ich habe ihm gesagt, dass es bestimmt nicht daran liegt, dass sie sie nicht sehen will. Es gibt andere Klassen, in denen sie unterrichtet und vielleicht ist sie oder ihr Kind einfach krank.

Und ich kann Liam bestätigen, dass Langeweile doof ist.
Aber ich kann ihn auch ermutigen, nach einem Tag vielleicht erstmal abzuwarten. Und ich kann sein Verständnis für andere Kinder wecken, die zum ersten Mal in dieser Schule sind oder eben nicht wissen, wie alle Körperteile heißen.

Ich kann Emilian ohne Essen in die Schule schicken. Selbst Schuld.
Oder ich „opfere“ 10 freie Minuten, um ihm die Box hinterher zu bringen, damit er gut gelaunt lernen kann.

Ich kann meinen Nachmittag vollpacken und die Kinder sich selbst überlassen.
Oder ich kann mit ihnen zusammen die Schultaschen ein und ausräumen und über den Stundenplan reden.

Und natürlich kann ich mein Kind und die Lehrer segnen und im Gebet tragen (Werbung), weil sie das brauchen und das sowieso nie schaden kann.

Viele Gedanken.
Viele Gefühle.
Neues Schuljahr: Wir sind bereit!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert