U7

Die 7. Untersuchung steht um den 2. Geburtstag des Kindes an. Schon Wochen vorher wurde ich per Elternbrief darüber informiert, dass das keine gewöhnliche „Kontrolle“ des Wachstums und der Gesundheit des Kindes ist, sondern das zum ersten Mal getestet wird, ob Sprache, Geschicklichkeit und Entwicklung altersgemäß ist. Das Kind wird erstmalig selbst angesprochen und muss antworten. Und dann steht da eine lange Liste von Punkten, die zur Sprache, Fein- und Grobmotorik und Sozialverhalten abgefragt werden können. Der Elternbrief schreibt, dass die Eltern dann nicht verrückt werden sollen, wenn der Kleine nicht mal ein Wort herausbringt, wo er doch zu Hause ununterbrochen plappert und zählt und sämtliche Tiere benennen kann.

„Vielleicht werden Sie ganz zappelig und würden zu gern ein bisschen drängeln – zu Hause sagt Ihr Kleiner doch ganz klar die Begriffe! So schwer es ist: Halten Sie sich bitte zurück! Der Kinderarzt glaubt Ihnen auch so, was Sie von der Sprachentwicklung Ihres Kindes berichten.“

Aber ich war aufgeregt.
Dazu kommt noch, dass der Kinderarzt durch den Umzug neu ist und uns vielleicht noch nicht so gut kennt. Die andere Ärztin kannte Emilian seit der Geburt… Ich weiß ja, dass Emilian fremden Personen nicht unbedingt juchzend um den Hals fällt – deswegen habe ich ihm lange vorher erzählt, dass wir bald zum Doktor gehen, dass der Doktor wissen möchte, wie er heißt, vielleicht wie alt er ist und was er alles schon kann. Emilian freute sich, war ganz aufgeregt und konnte sogar unsere Adresse schon sagen.

Ich hoffte, dass der Arzt vielleicht nach Emilians Lieblingstieren fragen würde, um dann ganz überrascht von „Hirsch“ und „Pinguin“ zu sein. Hat er nicht.
Ich hoffte, dass Emilian sich an unsere Gespräche und Übungen zu Hause erinnern und Spaß an den Tests haben würde. Hatte er nicht.
Ich hoffte, dass er wenigstens reden würde. Hat er nicht.

Emilian fing im Wartezimmer sofort zu spielen an und ich sah das als ein gutes Zeichen. Er sollte dann mit einer Arztschwester zum Spielen in ein anderes Zimmer gehen, ich sollte in der Zeit auf einem Fragebogen ankreuzen, welche Wörter Emilian schon spricht. Aber ich musste mit Emilian mit. Er war schon verunsichert. Dann gab es dort schöne Spielsachen, Emilian durfte mit ein paar Holzklötzen einen Turm bauen.. hat er aber nicht. Er sagte kein Wort, schielte auf das ganze andere Spielzeug und fiel vor Aufregung auch noch vom Untersuchungsbett. Dann wollte die Arztschwester sehen, wie er hüpfen kann und hüpfte selbst fröhlich durchs Zimmer – Emilian nicht. Ich konzentrierte mich auf meinen Fragebogen und antwortete erst, als sie mich fragte, ob er denn das alles zu Hause könne. „Natürlich!“

Dann ging es in ein anderes Zimmer, ich zog Emilian aus, er sollte gemessen und gewogen werden. Als ich ihm sagte: „Der Doktor guckt jetzt, wie schwer du bist.“ antwortete er sofort mit „Vier. Zwei.“, weil er bei Oma und Opa gern auf deren Waage geht und sich über die Zahlen freut. Das Wiegen hat noch einigermaßen gut geklappt, aber das Messen war eine große tränenreiche Katastrophe, weil er sich ausgezogen an die Wand stellen und zulassen sollte, dass ein Maßband von oben bis zu seinem Kopf heruntergezogen wird… „Ungefähr 85 cm“ kam heraus.

Im nächsten Zimmer sollte Emilian ausgezogen bleiben und ein bißchen warten. Diese Pause tat uns gut und er flitzte schon wieder fröhlich im Body durch das Wartzeimmer. Als dann die Ärztin kam, in seine Ohren und in seinen Mund guckte, sein Herz abhorchte, den Bauch befühlte und den Kopfumfang maß, hatte Emilian noch immer Respekt, machte aber gut mit und kicherte sogar ab und zu.
Um ihn laufen zu sehen, schickte sie mich in die andere Ecke des Zimmers, bat ihn, zu mir zu laufen, bot ihm ein Bonbon an und bat mich dann, es ihm aufzumachen. So war Emilian ganz nebenbei gezwungen, ein paar Mal durch das Zimmer zu laufen. Alles gut.

Es fiel mir schwer, mich zurückzuhalten, aber genau, weil ich wusste, dass er nicht „durchfallen“ würde, wenn er schweigen würde, hielt ich es aus. Zwischendurch habe ich mich ein bißchen über ihn geärgert, weil ich genau weiß, was er kann. Aber dann hat er mir auch wieder leid getan, denn mit ein bißchen mehr Zeit und Einfühlungsvermögen hätte er besser mitgemacht.

Das Ergebnis war dann in Ordnung. Kinder, die nicht in den Kindergarten gehen, sind eben oft ein bißchen anhänglicher. Emilian sei ein bißchen zu klein und zu leicht für sein Alter – wusste ich schon. Und ob ich mit seiner Sprachentwicklung zufrieden sei, fragte sie. Ja, bin ich.

Comments

  1. […] und wir mussten nicht aufräumen, durfte erzählen und genießen. Ich sag euch, wenn er bei der U7 nur halb so viel berichtet und gezeigt hätte… Aber die Therapeutin ist sehr nett, wir duzen […]

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