24. September 2020
Zwischen allen Alltags-Berichten und Werbe-Artikeln möchte ich euch mal erzählen, was mich in den letzten Wochen echt bewegt hat.
Wir haben drei Söhne, einer ist „das Mittelkind“. Ohne groß zu werten gibt es Zeiten, in denen er besonders um seinen Platz kämpft. Eltern mit einer ungeraden Anzahl an Kindern werden das verstehen.
Hier bei uns ist er der Knaller, Party und Lautstärke in Person, wild und gefährlich, niemals langweilig. – In der Schule ist er zurückhaltend, vorsichtig, schüchtern, wird fast übersehen.
Diese Tatsache haben wir inzwischen gesehen, verstanden und erklärt… es könnte eventuell sein, dass er das von seiner Mutter hat…
Er ist ein sehr ehrgeiziger, fleißiger Schüler und es gab keinen Grund zu irgendeiner Sorge. Gegen Anfang und Mitte des Jahres sah es so aus, als würden wir die Chance haben, für die Klasse 3 für eine verbale Beurteilung (ohne Noten) abzustimmen. Ich wollte das als Mama sehr gerne mal ausprobieren, diese Entscheidung hätte den Kindern nach der Homeschooling-Zeit wahrscheinlich gut getan und auch für unseren Sohn, der einfach gerne ein guter Schüler sein möchte, hab ich es mir gewünscht.
Hätte, hätte… die nötige Mehrzahl der Eltern wurde nicht erreicht.
Nun ist es so, dass der Sohn vielleicht ein paar Gespräche über meinen Frust nicht hätte hören müssen und nun ist es so, dass die Klasse eine neue fremde Deutsch-Lehrerin bekommen hat und nun ist es so, dass die ersten Noten nach einer fast 6monatigen Schul-Pause sehr überraschend kamen. Und das war keine schöne Überraschung.
Wir haben betont und ihm versichert, dass ein Kind und eine Leistung niemals in 6 Zahlen bewertet werden kann und dass diese Bewertung dann nicht viel über ein Kind als Ganzes aussagt… aber die Zahl steht dann trotzdem in rot da und Klassenkameraden/Geschwister/Eltern geben ihren Blick oder Kommentar ab. So ist es eben. (Großes anderes Thema.)
Wir Eltern haben gemerkt, „dass da irgendwas ist“.
Es gab vergessene Hausaufgaben, Einträge ins Hausaufgabenheft, schlechte Laune und schlechte Noten. Und dann gab es Bauchschmerzen und Magenprobleme. Das Kind fehlte ein paarmal in der Schule, aber wir wussten, dass er nicht einfach krank ist. Dazu kamen noch ein paar andere Dinge hier zuhause, die uns wirklich fremd vorkamen, wir kamen nicht mehr an sein Herz und wir erkannten unser Kind nicht wieder.. Das war nicht einfach.
Ich schrieb der Klassenlehrerin eine Erklärung + Hilfeschrei, mein Kind nicht zu übersehen. Die ersten Wochen nach der Pause, die neue Lehrerin, die Umstellung.. das war viel. Für uns alle.
Die Lehrerin reagierte mit Verständnis, besprach das Thema Notendruck mit der Klasse. Aber sie unterrichtet Mathe, das macht ihm Spaß und irgendwie kamen wir der Sache nicht näher.
Wenn ich meinem Sohn vorschlug, die Deutschlehrerin mal anzusprechen, lenkte er ab und sagte: „Man darf nicht an ihren Tisch kommen.. nach der Stunde ist sie gleich weg…“ Ab und zu druckste er, wovor er Angst hatte oder sich schämte, aber das war irgendwie nichts richtiges.
Ich bin der Meinung, dass das persönliche Gespräch immer eine gute Idee ist, ich kämpfe für Vertrauen und Verständnis im Bezug auf unsere Lehrer und Erzieher, ich bete mit anderen Mamas für Schutz und Segen für die Schule und ich als Mutter wollte wissen, was los ist.
„Das persönliche Gespräch“ heißt bei mir: Ich schreibe eine Email. Denn ich mag eigentlich keine Telefonate und schreibe solche Dinge sowieso lieber.
Gestern war der Sohn wieder krank zuhause. Gestern Abend schrieb ich der neuen Lehrerin, die ich erst einmal kurz auf dem Schulhof gesehen hatte und von der ich wenig wusste. Ich wollte nicht, dass sie so eine ist, die „eben jedes Jahr in der 3. Klasse Diktate und Noten einführt“… ich wollte, dass sie mein Kind sieht!
Ich schrieb ihr von meinen Gedanken und Gefühlen der letzten Schulwochen.. Ich schrieb ihr, wie ich mein Kind einschätze und dass sie ihn vielleicht so noch nicht kennt. Ich schrieb ihr, was er zuhause vom Deutschunterricht erzählt. Ich schrieb von den Fehltagen und von meiner Ahnung, dass da mehr sein muss und ich bat einfach um Verständnis. Ohne Vorwurf, einfach als Mama mit Fragezeichen.
Heute Nachmittag bekam ich einen Anruf. Von der Deutschlehrerin. Bei mir schnatterten die Jungs im Hintergrund, bei ihr quietschten mindestens zwei Kinder – wir haben uns sofort gut verstanden. Sie bedankte sich für die Email und sagte, in ein paar Tagen hätte sie sich auch bei mir gemeldet. Die letzten beiden Fehltage unseres Sohnes waren nämlich genau der Tag der Klassenarbeit und der Nachschreibetag… Wir zuhause wussten weder vom einen noch vom anderen Plan!
Dann sagte sie: „Heute habe ich ihn dann einfach zum Nachschreiben kurz rausgenommen, ohne das groß anzukündigen und es war gut so. Er war ganz schnell fertig und er braucht sich da überhaupt keine Sorgen zu machen. Er ist einer der besten Schüler! Vor dem Nachschreibetermin sagte ich sowas wie: Gebt euch beim Üben richtig viel Mühe!, das hat ihn wahrscheinlich unter Druck gesetzt…“
Wir haben dann noch eine Weile telefoniert und versprochen, gegenseitig auf das Kind zu achten.
Als ich meinem Sohn dann sagte:
„Das war deine Deutschlehrerin. Sie sagt…“
Und er unterbricht mich: „Ich bin der schlechteste?“
„Sie sagt… du bist einer der besten Schüler!“
Ihr könnt euch nicht vorstellen, welche Last von diesen kleinen Schultern abgefallen ist. Er wirkte wirklich befreit, als hätte man ihm einen Rucksack abgenommen. Er hüpfte vom Sofa, konnte ganz schnell seine Hausaufgaben erledigen und erzählte mir im Bett, wie sehr er sich morgen auf die Schule freut. Und vorher schrieb er einen herzzerreißenden Brief an Papa (der grad unterwegs ist), um sich zu entschuldigen.
Ich bin so berührt und dankbar.
Und ich hoffe, dass es am Ende der Schulzeit meiner Kinder wieder erlaubt ist, Menschen zu umarmen, denn ich muss da ein paar Lehrerinnen umarmen..
Das Herz einer Mutter macht einen Unterschied in dieser Welt.
Das.. und Gebet, und Vertrauen, und Kommunikation, und Ehrlichkeit.
Ich wollte euch das gern erzählen, weil bei uns auch nicht alles easypeasy läuft, weil wir auch unsere Kämpfe haben. Aber: Was wenn alles gut geht! Habt Mut und nehmt euch Zeit füreinander.
(Euch, die ihr unseren Sohn persönlich kennt, bitte ich, ihn nicht darauf anzusprechen und bin dankbar für euer Verständnis!)