Gefühlvoll

Wir haben noch ein paar Tage Urlaub, aber ich werde jetzt versuchen, wieder regelmäßiger für euch zu schreiben.

Bestimmt habe ich schon erzählt, wie es mir mit den Muttergefühlen geht und ging.. dass sie plötzlich und ohne Vorwarnung da sind, dass wenig Zeit zum Vorbereiten bleibt, dass viele Gefühle fremd und neu sind und dass man nicht irgendwann Herr oder Frau über sie wird.
Und ich glaube, ich finde gut, dass das auch nie aufhört. Nie!

Erstaunlicherweise ging es mir nach der Geburt nicht so, wie in fast allen Berichten geschrieben wird. Es gab keinen unglaublichen Gefühlsausbruch und erst Recht kein „alle-Schmerzen-sind-vergessen-Glück“! Entweder war die Geburt zu schnell oder ich bin eben nicht der überschwängliche Typ. Doch natürlich gab es dann Zeiten, in denen ich vor lauter Liebe, „Haach, ist der süß!“, Mitleid, Sehnsucht, Verzweiflung und Ratlosigkeit keine Worte fand.

Emilian kann seine Gefühle jetzt in Worten ausdrücken und er kann das gut.
Trotz allen Phasen, die Widerstand und Kampf bedeuten, ist er sehr sanft und kann mit Wort, Mimik und Gestik sehr gut zeigen, wenn er etwas süß findet, wenn ihn etwas traurig macht oder wenn er sich über irgendetwas freut. Und zwar meine ich damit keine Jubelschreie, kein wie-wild-um-den-Tisch-Gerenne, kein in die Kniee gehen und „YEAH“ schreien – sowas kenne ich (noch) nicht von ihm.
Wenn Emilian zum Beispiel während der Autofahrt sieht, dass Liam eingeschlafen ist, legt er seinen Kopf schief und sagt ganz leise und zärtlich:
„Liam schläft. Guck mal, Mama, der Süße!“
Heute kam er aus dem MiniClub (eine Betreuung an zwei Vormittagen in der Woche, zu der er seit heute geht) und hatte ein Bild für uns gemalt. Ich nahm ihn auf den Arm und bat ihn, mir zu erklären, was er da gemalt hätte. Und als wir ihm sagten, wie toll wir das Bild fanden, legte er verlegen seinen Kopf auf meine Schulter und erklärte ganz leise und stolz sein Werk.

Wenn er aber SAGT, dass er uns gern hat oder mit Worten zeigt, dass er gern bei uns ist… ich glaube, das ist das Schönste für alle Eltern. Solche kleinen ehrlichen tiefen Gefühle, die noch nichts manipulatives oder berechnendes haben.

Einmal saßen wir am Abendbrot-Tisch und Emilian kuschelte an Papas Arm.
Auf Papas Frage, was er da mache, sagte Emilian: „Ich liebe uns!“

Wenn Emilian mir sagt, dass er mich mag, sagt er: „Du bist mein Freund!“
Gestern aßen wir in einem Café und ich sollte neben ihm sitzen. Weil mir aber der Platz gegenüber praktischer erschien, setzte ich mich da hin und hoffte, es würde ihn nicht stören. Doch sofort klopfte er auf den Sitz neben sich und sagte: „Nicht! Hier hin! Du bist doch mein Freund!!“

Als wir vor zwei Tagen zu viert im Kinderzimmer saßen und mit den neuen Duplo-Steinen spielten, drückte Emilian seine Dankbarkeit aus, in dem er sich neben mich setzte und kuschelte und „Ich hab dich lieb!“ sagte.

Dann gibt es natürlich auch andere Gefühle, die mich nicht so glücklich machen. Ich weiß, dass sich die Trotzanfälle nicht gegen mich richten, ich weiß, dass Emilian sich in solchen Momenten oft selbst im Weg steht und ich weiß theoretisch, wie ich mich verhalten muss. Aber ich bin entsetzt, wie schnell ich so einen Anfall doch persönlich nehme, wie er meine Laune ändert und mich wütend und traurig macht!
Was erlaubt diese Trotzphase sich? Wie kann sie es wagen, mein Leben und das meines Kindes von jetzt auf gleich so durcheinander zu bringen??
Immer dann, wenn wir es eilig haben, wenn es leise sein muss, weil Liam schläft… Meistens.

Am Sonntag gab es eine Situation, die wunderbar zu beiden Gefühlsseiten passt und die mich sehr bewegt hat:
Ich musste um 9:30 Uhr in der Kirche sein, mein Mann war schon seit 9:00 Uhr da. Solche eiligen Tagesanfänge sind meist schwierig, weil ich erstens nicht als Frühaufsteherin geboren wurde, weil ich zweitens den Anspruch habe, dass meine Kinder zumindest ein bißchen zum Frühstück essen und weil ich drittens pünktlich sein will und viertens nichts vergessen möchte.
Hört sich einfach an – ist es aber nicht!
Ich war schon dabei, unser Zeug zu packen – Emilians Trinkflasche fehlte noch. Also bat ich ihn, sie aus seinem Zimmer zu holen – oder er hätte im MiniClub eben nichts zum Trinken. Er trödelte, war gut drauf, spielte hier und da und hörte nicht auf mich. Irgendwann war er dann oben, wurde aber von seinen Duplo-Spielsachen abgelenkt und kam nicht wieder runter. Langsam wurde ich ungeduldig und lauter und fragte, ob er alleine zuhause bleiben und auf uns warten wolle. (So ein Quatsch eigentlich)
Ich wusste, dass ich mindestens zweimal zum Auto gehen musste, also tat ich so, als würde ich allein gehen und zog die Haustür hinter mir zu. Auf dem Weg zurück zum Haus hörte ich schon sein lautes Weinen. Er war nicht böse oder trotzig, sondern wirklich traurig, weil er natürlich dachte, ich wäre ohne die Jungs gegangen. Ich versuchte, ihn blitzschnell anzuziehen, aber durch seine Trauer wurde es nicht besser und wir hatten es eilig!

Irgendwann saßen wir dann im Auto und ich wollte die 1,5 km wirklich nutzen, um selber ruhig zu werden und möglichst diesen Stress mit Emilian zu klären.
Ich wollte ihn nicht so im Streit in den MiniClub abgeben.
Wieder war ich erstaunt, wie schwer es mir dann fällt, nicht nur eine Entschuldigung von ihm zu erwarten, sondern selbst auch um Verzeihung zu bitten. Im Auto klappt das meistens, weil die Fahrt uns ablenkt und weil niemand einfach verschwinden kann. Ich erklärte also nochmal in Ruhe, worüber ich traurig war und bat ihn, „Es tut mir leid“ zu sagen. Erst wollte er nicht, dann sah ich, dass er irgendwas flüsterte und auf dem Parkplatz sagte er es dann gerade so, dass ich es hören konnte. Ich sah sein verschmitztes Lächeln, wir klärten unseren Streit und ich wusste, dass alles gut war.

Ich nahm Liam im Kindersitz aus dem Auto und ging mit Emilian zur Kirche.
Er wollte mir beim Tragen helfen, also fasste ich den Sitz weiter seitlich an und Emilian „half“ mir. Liam hing total schief und durch Emilians „Hilfe“ wurde es für mich mindestens doppelt so schwer, aber er war stolz und wichtig und sagte plötzlich: „Wir sind doch eine Familie!“

Das hat mich fast zum Weinen gebracht!

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