Deutsch-Unterricht im Flüchtlingsheim

Ich war heute mit einer Freundin verabredet, um mal wieder die Kinder in der Notunterkunft zu betreuen. Von 10:00 – 11:30 und von 16:00 bis 17:30 jeweils wird Kinderbetreuung und Deutschunterricht angeboten. Erste Schüler werden jetzt eingeschult, bekommen Nachhilfe und die Kleineren werden eben betreut.

Der Kinderraum war voll.
Voll mit kaputten Spielsachen, Müll und Puzzleteilen. Die Farbe des Teppichs konnte unter den Puzzleteilen kaum noch erkannt werden. (Bitte spendet keine Puzzle mehr!)
Kinder waren allerdings nicht im Raum, scheinbar noch auf ihren Zimmern. Zusammen mit der Pförtnerin wunderten und ärgerten wir uns kurz, dann räumte sie kurzerhand auf und wir gingen nach nebenan, wo gerade der Unterricht begann.

Viele Personen unterrichten inzwischen regelmäßig, fast täglich. Meist sind es pensionierte und passionierte Lehrer, würde ich sagen. Jeder von ihnen hat so seine Rituale, Arbeitsmittel und Schüler. Einer stellt die Stühle im Halbkreis um sich herum, der andere setzt alle gegenüber. Einer bringt Hefte und Bücher mit, der nächste hat nur leeres Papier und Bleistifte.

Nach und nach kamen fast ausschließlich Männer in den Raum, es waren heute überraschend viele. Wir setzten uns zu vier Männern an den Tisch und fingen einfach an.

Sie hatten bereits einen ausgefüllten Zettel vor sich liegen, wahrscheinlich vom letzten Unterricht.
„Ich heiße…“
„Ich komme aus…“
„Jetzt wohne ich in…“
„Ich bin hier mit…“
Alle vier kamen aus Damaskus, waren Freunde und sie waren so stolz auf das, was sie konnten. Während meine Freundin mit drei Männern ganze Sätze, die man zBspl. beim Arzt braucht, lernte, ging ich mit einem älteren Mann die Körperteile, Zahlen und Tageszeiten durch.

Ohne meine Übersetzungs-App hätten wir große Schwierigkeiten gehabt.
Ich wählte ein Wort aus und zeigte ihm die Übersetzung. Dann schrieb er das Wort erst in seiner Sprache auf, dann in unseren Buchstaben und dann die Lautschrift in seiner Sprache. Genauso hatte ich die Lautschrift seiner Wörter in meinen Buchstaben auf dem Display. Ab und zu malte er noch eine Erklärung dazu. Obwohl er völlig andere Buchstaben, oder ich glaube, es sind eigentlich Silben, schrieb und dazu noch von rechts nach links, lernte er unsere Buchstaben schnell. Es klappte gut.

Er freute sich, dass er bei den Zahlen ab dreizehn die Wörter drei und zehn, vier und zehn… wieder erkannte. Bei der siebzehn wunderte er sich, wo denn das „en“ von sieben blieb.

Das Wetter und die Jahreszeiten lernten wir auch. Die Aussprache von zBpsl. „Herbst“ musste er lange üben.

Als ich „Gute Nacht“ und „Guten Tag“ aufschrieb, fragte er, wo das „n“ bei „Gute Nacht“ sein. Tja, kein n. Schwer zu erklären.

Auf seiner Tabelle war neben dem Wort „Welt“ ein dunkler Kreis (zu dunkel kopiert) zu sehen und er fragte immer wieder nach diesem Wort. Er zeigte in den Himmel, ich zeigte das Wort „Welt“ in der App, aber er schüttelte den Kopf. Er zeigt in den Himmel und formte einen Kreis mit der Hand. Ich zeigte das Wort „Mond“. Auch falsch. Er zeigte auf seinen Mund. Ah! Ich schrieb ihm die Wörter „Mund“ und „Mond“ auf. Als wir mit der App kontrollieren, war er immernoch nicht zufrieden. Er lächelte und zeigte auch mich. Wir probierten Planet, Sonne, Stern, Wolke… keine Ahnung. Ich malte die Mondsichel neben das Wort „Mond“ und er machte einen Kreis daraus. Aaaah, Vollmond! Ja mensch, das war es, was er suchte!

Wir redeten und schrieben, die Jungs wurden immer kreativer. Als sie feststellten, dass ich auch eine Übersetzungsfunktion mit Mikro hatte, sprachen sie Sätze dort rein und zeigten mir die deutschen Worte. Es dauerte ein bißchen, aber nach und nach kam heraus, dass sie „Ich möchte eine Freundin.“ und „Kann ich deine Telefonnummer haben?“ sagen wollten.
So so.
Als die beiden jüngeren Kerle dann anfingen, Fotos von meiner Freundin zu machen, fingen wir an, uns zu verabschieden. Sie hatten viel gelernt und geschrieben. Heute Nachmittag wird mein Mann mit Freunden da sein.

Am Freitag werde ich wieder da sein, um bei einem Kinder-Bücher-Projekt mitzumachen.

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