Wir sind noch ungefähr 35 Stunden in Deutschland.
Wir haben uns von fast allen Freunden verabschiedet, haben am Samstag in einer Hau-Ruck-Aktion fast alle Koffer gepackt und tragen jetzt seit Tagen dieselben Klamotten, weil der Rest eingepackt ist und wir nicht mehr waschen wollen. Fast. Eine Wäsche kommt noch. Ich habe Gastgeschenke, kenne mich mit sämtlichen Einfuhrbestimmungen in die USA aus, weiß, was ins Handgepäck darf und was besser nicht, habe alle gefährlichen Gegenstände und Flüssigkeiten ins andere Gepäck gepackt, habe Vorkehrungen gegen Langeweile im Flug getroffen und bin bereit für das große Abenteuer!
Wir sind soweit!
Nach monatelangen Abschieden, unzähligen Segensgebeten, liebevollen Geschenken, letzten Umarmungen und so vielen guten Wünschen kann es jetzt losgehen. Sonst kommt mein Verstand und mein Herz durcheinander. Die ersten Abschiede waren irgendwie am schwersten, dann wurde es immer ernster und realer… Aber heute hat mir meine Schwägerin geschrieben. Sie ist seit Freitag mit Mann und Kindern in Amerika – und jetzt will ich auch!
Nach der Hochzeit am kommenden Wochenende werden wir die letzten Freunde verabschieden, die zurück nach Deutschland fliegen. Und erst dann sind wir „allein“ und erst dann, in Kalifornien, werde ich vielleicht anfangen, die ersten Menschen zu vermissen. Viel Trubel wartet auf uns.
Am Sonntag verbrachten wir einen wunderschönen, sonnigen, perfekten Nachmittag mit mehr als 50 Freunden im Britzer Garten. Es tut gut, vermisst zu werden. Es tut gut, Freunde zu haben, denen ich fehlen werde, die sich mit glänzenden Augen von mir verabschiedet haben. Es tut gut, ein ungefähres Ende unserer Reise im Kopf zu haben und sich jetzt schon auf das Wiederkommen zu freuen. Wir sind uns sicher, dass die Zeiten dazwischen gut werden. Freunde warten auf uns, neue Erlebnisse, Sonne. Amerika.
Auf dem Weg in den Britzer Garten verkündete Emilian:
„Wenn wir da sind, rufe ich alle zusammen und dann sage ich: ‚Noch 3x schlafen und dann fliegen wir!‘ “
Ich weiß noch immer nicht, was die Kinder spüren, was sie ahnen oder merken. Sie sehen leere Schränke und volle Koffer, umgeräumte Zimmer und fehlendes Spielzeug. Weil es ihnen so gut geht, bin ich mir sicher, dass sie das Abenteuer mit genau so offenen Armen und Augen annehmen können, wie wir das tun.
Ich liebe es, meine Jungs im Garten zu beobachten. Leicht oder gar nicht mehr bekleidet flitzen sie von A nach B (Liam), denken sich Geschichten aus (Emilian), spielen Piraten und Tier und sonstwas. Ihr Haar wird heller, die Haut wird dunkler. Liam himmelt seinen großen Bruder an, macht ihm nach, was geht und lässt sich für Spiel und Spaß auch gern mal ausnutzen. Emilian hat die schärfsten Ideen, hat den Sprachvorteil und lässt Liam seine Fragen mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten.
„Komm wir spielen …, ja?“ – „Ja!“
„Wollen wir das nochmal machen?“ – „Ja!“
Noch immer kann keiner der beiden mit nur einem Bonbon zufrieden sein, weil es immer zwei sein müssen und Liams „Ii au!“ verfolgt Emilian auf Schritt und Tritt.
Diese Vertrautheit, diese Liebe und dieses Glück wird ihnen in den nächsten Monaten gut tun!
Liam testet immer mehr neue Silben aus. Ich bin so gespannt, wie das in Amerika wird. Als ich bei Emilian dachte, das mit der Sprache würde ewig dauern, ging es dann plötzlich schnell und nach 4 Wochen hatte er so viel gelernt! Liam hat vor ein paar Tagen bei irgendjemand den Spruch: „Eene meene muh, raus bist du!“ gelernt. Erst sagte er sowas wie: „Ee mee muh, gaa gaa guu!“ Dabei zeigte er erst im Kreis herum und dann auf eine Person – wie das bei Abzählversen eben so ist. Dieses „Ee mee mu“ sagt er jetzt häufiger. Manchmal denke ich, er meint damit seinen Nuckel, aber es könnte auch sein, dass er „Emilian“ sagen will. Emilian amüsiert sich köstlich, „eene meene muh“ genannt zu werden! Immer wieder muss ich so über Liams Mimik und Gestik lachen. Emilian war und ist ausgeglichener, was die guten und die weniger guten Emotionen betrifft. Auch in seinen Bewegungen und Gesichtsausdrücken ist er… ausgeglichener. Liam kann allein mit seinem Gesicht so viel ausdrücken, dass es eine Wonne ist, ihm zuzusehen. Er kann schmollen, er kann so süß verlegen sein, beleidigt tun, Scham aushalten, Tapferkeit wahren, uns nachahmen, heimlich erwachsen spielen, vor Schalk nur so strotzen – und das alles spiegelt sich in den paar Zentimetern zwischen Stirn und Kinn. Heute morgen war er vor Emilian wach und wurde vom Papa in unser Bett geholt, damit Emilian ausschlafen konnte. Er genoß das Kuscheln sehr und als Emilian dann später auch zu uns kam, setzte sich Liam auf und begrüßte ihn mit: „Naaaa?“
Emilians Kindergarten-Gruppe besuchte uns am Freitag und damit wurde die Kindergarten-Zeit erstmal beendet. 10 Kinder kamen singend und jedes mit einer Rose für mich in unseren Garten gelaufen. Emilian zeigte stolz sein Zimmer und alle anderen Räume, deren Türen ich extra zu gemacht hatte, und knapp 2 Stunden lang fegten die Kinder durch den Garten. Es war schön, sich mit den Erzieherinnen mal in Ruhe und ausserhalb des Kindergartens unterhalten zu können. Auch wenn ich denke, dass Emilian jetzt gerade so richtig eingewöhnt war, bin ich froh, dass ihm der Abschied nicht zu schwer fiel. Ein Fotalbum und ein leuchtender Stein für die Nacht bekam er als Geschenk und er spürt schon, dass er der Gruppe irgendwie fehlen wird.
So sehr ich mein kleines erstgeborenes Baby vermisse, so sehr erfüllt mich sein Wachsen und Reifen auch mit Stolz. Am Samstag Morgen saßen wir am Frühstückstisch, Emilian sah in die Runde und fragte: „Und, was machen wir heute so alles?“ Das sagt doch kein kleines Baby mehr! Er guckt schon so groß, so erwartungsvoll, stolz und.. erwachsen!
Als wir uns mit Freunden über Kuchen und Torten und Cheesecake aus Amerika unterhielten, fragte Emilian dazwischen: „Was ist denn ein Schieß-Cake?“
Und als ich ihm vorgestern mit irgendeinem Befehl auf die Nerven ging, antwortete er mir mit einem: „Halt doch die Klappe, du Hosenmatz!“. Auch das gehört irgendwie dazu, groß zu werden. Vielleicht noch nicht jetzt…
Immer wieder mal möchte Emilian das Gebet vor dem Essen sprechen. Manchmal betet er das, was wir so beten. Oft war es: „Lieber Gott, danke, dass alle schön essen können, dass alle schön trinken können…!“ Mir ist dabei sehr wichtig, dass er seine eigenen Worte verwendet und dass er das darf. Gestern faltete er seine Hände und fing an: „Guten Appetit…“, dann stutzte er kurz und sagte dann: „Danke Gott für das Essen und dass du Jesus auf die Welt geschickt hast.“
In solchen Momenten könnte ich weinen vor Glück.
Mit Sicherheit wird der nächste Eintrag aus Amerika zu euch kommen. Zu anderen Uhrzeiten dann.
Ich freu mich drauf!
Tschüß!
[…] Eintrag vor der Reise könnt ihr hier lesen. Mann, waren wir aufgeregt und wir hatten keine Ahnung, was dieses Jahr für uns […]