Jede Familie hat Rituale. Geplant oder ungeplant.
Einige kommen einfach, ohne dass es jemand merkt und andere werden tagelang konsequent eingeführt. Einige helfen und machen das Leben leichter, von anderen denkt man das – es ist aber nicht so.
Ich habe mal über unsere Rituale nachgedacht.
Zuerst gibt es bestimmte Besuchs-Rituale, die jeder kennt und an die man sich auch als Erwachsener noch gern erinnert.
Wenn Emilian zu meinen Eltern kommt, weiß er, wo sein Bücherkorb wartet,
wo die Murmel-Kiste steht und wo ein kleines Memory liegt.
Alle drei „Schatzkisten“ werden nahezu gleichzeitig begrüßt und ausgepackt und schon nach wenigen Minuten liegen überall im Wohnzimmer Murmeln und Würfel, im Flur liegen Bücher, die etappenweise vorgelesen werden und auf dem Küchentisch wird das Memory ausgebreitet.
Bei den anderen Großeltern gibt es ebenfalls eine Bücherbox, die Emilian sofort anschleppt und es gibt eine Matruschka-Puppe. Diese Puppe besteht aus insgesamt 10 Puppen und schon seit vielen Monaten gehört es zum Besuch bei meinen Schwiegereltern, diese Puppe Stück für Stück zu entpacken und über jedes neue „Baby“ zu staunen!
Dann haben wir im Laufe der Zeit kleine Rituale entwickelt, die einfach so zu unserem Tag dazu gehören.
Zum Beispiel trinkt Emilian morgens und mittags nach dem Schlafen einen warmen Kakao. Oder beide Jungs schlafen mit einer Spieluhr ein – diese Melodie kannten sie schon vor ihrer Geburt. Dass vor dem ins Bett gehen die Zähne geputzt werden, ist ein hilfreiches Ritual. Je früher die Eltern damit anfangen, desto leichter wird es – weil es einfach dazu gehört, weil es den Abschied vom Tag und den Schritt zu Dunkelheit und Ruhe etwas verlängert. Emilian bekommt seine Zahnbürste mit ein bißchen Zahnpasta, „putzt“ seine Zähne (das heißt: er lutscht das Zahnpasta ab und spielt ein bißchen mit der Bürste) und mit dem letzten Rest schrubbe ich dann schnell über seine Zähne, um wenigstens ein wenig für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen. Im Idealfall gehört zum ins-Bett-gehen auch eine Tobezeit in unserem Bett, manchmal legt sich Papa mit Emilian kurz auf den Boden im Flur und Papa fragt: „Was war heute dein schönstes Erlebnis?“
Allein über diese Dialoge könnte man Geschichten schreiben…
Dann gibt es noch unsere „Autobonbons“, die es nur im Auto gibt und die eine langweilige oder notwendige Autofahrt versüßen.
Ich habe letztens gelesen, dass es Mütter gibt, die ihren schlafenden Kindern nachts mit Stirnlampe die Fingernägel schneiden.. Kreativ!
Ich mache es tagsüber. Liam lässt das noch geduldig über sich ergehen, aber Emilian mag es nicht. Festhalten geht nicht mehr, überreden auch nicht.. also gibt es kleine Gummibären zum Trost. Und es klappt! Als ich ihm vor ein paar Tagen einfach so Gummibären schenken wollte, sagte er: „Erst Fingernägel schneiden!“ Wow…
Beim Spazieren lernen wir, auf Autos zu achten. Und neuerdings sagt Emilian auch, wenn wir aus dem Haus auf den Gartenweg gehen: „Erst gucken, kein Auto kommt!“
Manchmal darf er mit dem iPhone spielen, während ich meine Haare wasche oder irgendwie kurz beschäftigt bin. So saß er letztens auf unserem Bett, Liam spielte neben ihm mit irgendeiner Rassel. Und als ich wiederkam…
Es gibt auch Einkaufs-Rituale.
Einkaufen mit Kindern ist ja immer so eine Sache.
Mein Trick ist: Ablenken oder helfen lassen.
Manchmal gebe ich Emilian einfach ein Buch, eine Schüssel mit Apfelstückchen oder einen Traubenzucker-Lolli und er sitzt ruhig im Kinderwagen. Selten.
Aber kleine Aufgaben oder Belohnungen oder Besonderheiten helfen und machen uns auch Spaß. Vom „Papa-Emilian-Einkaufs-Ritual“ hatte ich ja schon berichtet.
In unserem Aldi gibt es seit ein paar Wochen ein Backregal mit frischen Backwaren. Als das neu war, habe ich für uns irgendwelche Brötchen gekauft, weil ich das mag. Und jetzt gehört das zu unserem Aldi-Besuch. Es geht gar nicht mehr so sehr um ein kleines Brötchen für zwischendurch, sondern es geht um den Vorgang. Emilian liebt diese Klappe vor den Brötchen, die Zange, mit der man die Brötchen nehmen soll. Aber noch mehr liebt er diese großen Tütenhandschuhe, die man umständlichst auseinanderfalten und anziehen und schon nach einer Sekunde wieder in einen dafür vorgesehenen Schlitz schieben kann. Dann ist es auch toll, das kleine Brötchen in eine riesengroße Tüte plumpsen zu lassen, bis zum Bezahlen zu warten und den Schatz wieder auspacken zu können. In der letzten Woche durfte Emilian sogar Brötchen für einen anderen Mann einpacken..
Bei Kaufland dürfen wir nicht an der Fischtheke vorbeigehen, ohne zu gucken. Die halben oder ganzen Fische zwischen den Eiswürfeln guckt Emilian sehr gerne an. Gestern standen wir dort so lange, dass wir am Ende zwei schöne Muscheln von einer freundlichen Fischfrau geschenkt bekamen!
Bei dm ist es unumgänglich, die Spieleecke aufzusuchen. Dort stehen auch die meisten meiner Produkte. Erst gab es dort ein Schaukelpferd und ein Regal mit Theater-Vorhang. Und das Pferd war heißbegehrt. Jetzt steht dort ein großer Spielewürfel mit mindestens 30 verschiedenen Funktionen und wenn ich könnte, würde ich ihn sofort mitnehmen!
Emilian darf unsere Pfandflaschen in den Automat stecken, den Zettel nehmen und ihn der Kassiererin geben. Er reicht auch gern meine EC-Karte weiter oder gibt das Geld, wenn ich bar bezahle. Wenn er dann auch noch das Wechselgeld und den Kassenzettel bekommt, ist er glücklich!
Dann gibt es noch ein Ritual, das seit Emilians Geburt besteht und ich weiß nicht richtig, ob ich davon jemals weg komme – oder ob ich das überhaupt will.
Emilian macht nämlich seinen Mittagsschlaf draussen.
Erst auf dem Balkon unserer Wohnung, jetzt auf der Terrasse.
Das Gute ist: Er ist an der frischen Luft, er kann überall unterwegs einschlafen,
er hat Ruhe. Das sind wirklich Vorteile.
Aber jetzt wird es kalt und nass und wir haben keinen überdachten Balkon mehr, sondern nur noch einen Sonnenschirm. Heute war ich kurz davor, ihn zum ersten Mal zum Schlafen in sein Bett zu legen – dann hat es zu regnen aufgehört und ich habe mich doch für den Wagen entschieden. Weil Emilian so schläft, konnten wir den Kinderwagen auch nicht wieder für Liam vom Sportwagen zum Babywagen umbauen. Der Fußsack wird langsam klein und ich bin wirklich gespannt,
wie lange er noch draussen schlafen kann.