Ich geb‘ was ab.

11. September 2019

Eine Art, die Welt besser zu machen, ist das Teilen.
Es ist doch so, dass wir von vielem viel zu viel haben – und andere von allem zu wenig.

Wir können unser Essen teilen. Unseren Platz. Unsere Kleidung. Unsere Bücher. Unser Geld. Unsere Talente. Unsere gute Laune. Unsere Zeit.

Manches fällt uns leichter, bei anderen Dingen fällt es erst leichter, wenn sie schon geteilt sind.
Von manchen Dingen haben wir zu viel, aber wir wissen nicht, wohin damit. Wer braucht sowas? Was mache ich damit?
Für viel Zeug gibt es inzwischen Organisationen, Vereine, Start ups, Läden, Apps und gute Ideen.
Manches kostet Kraft und Emotionen, manches kostet Geld oder Zeit.

Es ist aber eigentlich nicht so schwer, oder?

Ich habe jetzt eine ganz neue Art gefunden, etwas zu teilen, von dem ich genug und andere viel zu wenig haben.
Es ist nichts Neues – im Gegenteil – und es ist vielleicht etwas peinlich, dass ich jetzt damit anfange. Ich frage mich täglich: Warum erst jetzt??

Aber bestimmt gibt es andere Menschen, die genau jetzt ein paar Infos, eine Ermutigung und einen letzten Schubs brauchen – und dann genau so loslegen.

Ich gehe Blut und Plasma spenden.

In unserer Gegend wurde ein neues schickes großes Blutspendezentrum aufgebaut. Wir haben mit den Kindern zugesehen, wie das alte Haus nach und nach abgerissen wurde und wie dann das neue Haus gebaut wurde.
Baustellen interessieren uns sowieso… aber als ich dann erfuhr, was dort gebaut wird, wusste ich: Da gehe ich hin.

Es hat dann doch länger gedauert, weil irgendwas ist ja immer. Eine Freundin hat mich mitgenommen.. wer weiß, ob ich sonst schon angemeldet wäre…

Ich empfehle also, für’s erste Mal jemand mitzunehmen, der schon spendet.

Wir wollten eigentlich zusammen spenden, aber neuangemeldet musste ich erst ein paar Tage auf Ergebnisse einer Blutntersuchung warten.. so saß ich also, ein bißchen wie eine Doula, neben ihrer Liege und hab sie emotional unterstützt 🙂

Mir macht es nichts aus, Blut und andere Körperflüssigkeiten zu sehen und ich fand es total spannend. Zuhause wollte ich ganz begeistert meinem großen Sohn davon erzählen. „Mama, das weiß ich alles. Das hab ich bei der ‚Sendung mit der Maus‘ gesehen.“ Er wusste tatsächlich jede Einzelheit.

Zu den Einzelheiten:

Es dauert ca. 45-60 Minuten.
Es tut nicht weh.
Es riecht nicht komisch.
Es ist alles sicher und sauber.
Es ist nicht wie in einer Praxis.
Und.. es gibt Geld dafür.
Blutspender bekommen ein großes Frühstück.
Plasma-Spender bekommen 20€. Auf die Hand.

Es ist also so:
Telefonisch melde ich mich an. Das Blutspendezentrum hat von 8:00 Uhr bis 19:00 Uhr geöffnet. Anstatt nach freien Terminen zu fragen, darf ich mir einen Termin aussuchen. Wenn ich meinen Spenderausweis bekomme, geht das auch per App. (Glaub ich.)

(Tatsächlich ist der große Spender-Raum oft erschreckend leer…
Es werden Spender gebraucht!)

Ich habe eine Liste, auf der Lebensmittel stehen, die vor der Spende eher ungünstig und besonders günstig sind. Am Tag davor versuche ich, darauf zu achten. Vor allem aber trinke ich viel. Auch schon an dem Morgen. 1-2 Liter sind wichtig.

Ich bringe die Kinder zur Schule und fahre mit dem Fahrrad gleich weiter. Im Blutspendezentrum werde ich freundlich begrüßt und bekomme einen Chip für meinen Schrank, ich packe meine Tasche und Jacke dort rein. Ich bekomme einen Stempel in meine Punktekarte und ein paar Unterlagen zum Ausfüllen.
Es ist nicht wie in einer Arztpraxis, das werde ich gleich noch hundertmal betonen, denn das fällt mir einfach immer wieder auf. Der große Unterschied ist: Ich bin freiwillig da und gebe von meiner Zeit und meinem Plasma ab. Ich werde ein bißchen wie ein Lebensretter behandelt, das ist wirklich so und ich finde es faszinierend.

Noch ein Unterschied zur Praxis:
Überall steht Essen rum. Und Getränke. Und Traubenzucker.
Ich setze mich an einen Tisch, der Raum ist hell und sauber – und leer – und ich fülle meine Unterlagen aus. Das ist vor jeder Blutspende so. Krankheiten. Auslandsaufenthalt. Medikamente.

Ich gebe die Papiere ab und weil ja niemand sonst da ist, gehe ich weiter zur Ärztin. Vor jeder Spende gibt es eine kleine Untersuchung, meine ist etwas größer, weil ich Erstspender bin.
Blutdruck, Fieber messen, Größe, Gewicht, Aufklärung über den Vorgang des Spendens und Nebenwirkungen. Sollte mir während der Spende kalt, heiß, schwindelig, übel, müde oder komisch werden, soll ich bitte sofort Bescheid sagen. Sollte ich in den 3 Tagen nach der Spende krank werden, muss ich anrufen, denn dann darf meine Spende nicht verwendet werden. Nach der Spende soll ich viel trinken, nicht schwer heben, keinen Sport machen, nicht lange stehen, mich nicht anstrengen…
Ich sag ja: Spannend ist das!

Die Ärztin hat Zeit für mich. Sie ist gut gelaunt und freundlich.
Ich darf gleich weiter zum großen Raum, vorher muss ich aber unbedingt zur Toilette. Das viele Trinken und so…

Im großen Raum sind viele Liegen, die roten für die Plasma-Spender und die grauen für die Blut-Spender. Ich werde wieder freundlich begrüßt, nur ein Mann sitzt da auf einer Liege, er kam kurz vor mir.
Die Krankenschwester fragt mich, welchen Arm ich zum Spenden nehmen möchte, den rechten, und so wählt sie eine Liege aus, neben der die spannende Maschine auf der rechten Seite steht.

Sie fragt mich nach meinem Namen und Geburtsdatum, das ist ein kleiner Test, damit die richtigen Unterlagen immer zu der richtigen Person gehören. Sie fragt auch, immer lächelnd und wirklich freundlich!, ob ich denn am Morgen genug gegessen und getrunken hätte. Mit meinem Frühstück ist sie nicht zufrieden und so sagt sie: „Könnte ich sie noch zu einem Schoko-Muffin überreden?“
Der Mann neben mir guckt und sagt: „Mir ham’se dit aba nich erlaubt..“

Ich glaube, das gute Essen ist eigentlich nur für Blutspender, aber ich nehme mir einen Muffin. Zu spät lese ich, dass das Essen bitte nicht selbst genommen, sondern das Personal gefragt werden soll. Die Anmelde-Schwester steht schon hinter mir und ich entschuldige mich. Sie lächelt und sagt: „Das ist doch gar kein Problem!“
Schon wieder so freundlich!
Bin ich überhaupt noch in Deutschland??

Ich esse in Ruhe den Muffin und noch eine Banane und trinke ein Glas Orangensaft. Ist das schön hier.

Dann gehts los. Jeder Schritt wird mir gut erklärt und ich bin bereit. Mein Blut fließt in eine Maschine, ich habe ein kleines rotes Gummiherz in der Hand und knete es, damit der Blutfluss leichter ist. Es gibt an der Maschine eine kleine Anzeige mit grünen, gelben oder roten Leuchten und ich weiß, wann ich ein bißchen mehr helfen muss.
In der Maschine wird das Plasma vom Blut getrennt. Das Plasma fließt in einen Beutel, der an der Maschine an einer Waage hängt. Das Blut ohne Plasma fließt zu mir zurück. Und das in mehreren, ich glaube 3, Durchgängen.

In dem Raum hängen Bildschirme, auf denen NTV läuft, außerdem gibt es WLAN und eine freie Hand habe ich ja. Die Nadel in meinem Arm ist ziemlich groß, sorry, ich bin ehrlich, aber sonst merke ich nichts. Nichts. Weder während der Spende, noch danach. Vielleicht bin ich etwas kurzatmiger am Nachmittag. Mehr nicht.

Ich frage die Krankenschwester, ob sie ein Foto von mir machen würde. Sie schließt zwei weitere Männer an, die gerade gekommen sind und macht dann ganz stolz das Foto von mir. Überhaupt frage ich nach der Maschine, nach der Farbe des Plasmas und so. Von nebenan kommt immer mal wieder die freundliche berliner Schnauze: „Mir hat det ooch keena erklärt.“
Das Plasma des Mannes ist ziemlich hell, fast weiß, und ich erfahre, dass er wohl am Vortag schön fettig gegessen hat. Sollte es zu hell sein, könnte es nicht verwendet werden.

Als die Waage des Plasma-Beutels 750ml anzeigt, bin ich fertig. Normalerweise sind es 850ml, aber ich bin Erstspender. Das hat nicht lange gedauert. Es geht übrigens, auch beim Blut, schneller, je mehr ich vorher getrunken habe.

Ich bekomme einen kleinen Verband und darf gehen. „Tschüß und bis zum nächsten Mal“, heißt es freundlich. Vorn im Wartezimmer nehme ich mir einen Kaffee und lese ein bißchen in meinem Buch weiter. Dann hole ich meine Tasche, verabschiede mich, gehe zum Fahrrad und fahre los.

Erst an der Ampel, ihr werdet es nicht glauben.. erst auf dem Fahrrad fällt mir auf, dass ich kein Geld bekommen habe. Wie peinlich. Ich drehe um und frage vorsichtig nach. Ich weiß, dass es Bargeld gibt, aber ich weiß nicht, an welcher Stelle ich das hätte bekommen sollen.
Die Anmelde-Schwester geht zur Ärztin und fragt nach.
Die Ärztin kommt und gibt mir den Schein. Es ist ihr so peinlich. Jetzt weiß ich, dass es das Geld vor der Spende bei der Untersuchung gibt.

Ich gehe wieder zum Fahrrad und fahre durch die Sonne, etwas langsamer, zurück. Nach 2 Stunden nehme ich den Verband ab. Ich trinke viel an diesem Tag und mache ein bißchen langsamer. Und das war’s auch schon. Es fühlt sich gut an.

****

Ein paar Infos hab ich noch für euch:

+ In Deutschland besteht hoher Bedarf an Plasma- und Blutspenden.

+ Aus Plasma werden auch wichtige Medikamente hergestellt.

+ Das Plasma ist im Körper nach ca. 6 Stunden nachgebildet, also ist eine Plasma-Spende ungefähr 1x in der Woche möglich.
In 12 Monaten können max. 60 Spenden gegeben werden.

+ Gesunde Menschen zwischen 18 und 72 Jahren dürfen Plasma spenden.

+ Wer nach dem Plasma-Spenden auch frühstücken möchte, kann das tun. Die Aufwandsentschädigung beträgt dann 17€ und für 3€ dürft ihr sozusagen zum Frühstück gehen.

+ Wer einen Neuspender wirbt, bekommt Geld bei dessen erster Spende.

Alle Infos vom sind vom DRK.

Habt ihr noch Fragen?
Wer möchte beim nächsten Mal mitkommen?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert