Der schönste Abend in Amerika

Unsere Gäste waren von Freitag bis Samstag in Arizona unterwegs. Am Samstag morgen haben wir auf zwei Töchter meiner Freundin aufgepasst, wir haben zuhause Mittag gegessen und gechillt. Mein Mann hatte während des Samstags-Gottesdienstes einen Job und am Abend hatten wir eine Verabredung. Es hieß nur: „Elisabeth hat uns zum Essen eingeladen.“ Okay..

Wir fuhren also in die Kirche und während mein Mann arbeitete, verbrachte ich viel Zeit mit den Kindern auf dem Spielplatz. Wir waren heute auch im zweiten Sonntags-Gottesdienst und ich finde, ein Kindergottesdienst am Wochenende reicht.

Die Kinder lieben dieses Spielplatz! Sie kletterten, tobten und waren 2 Stunden gut beschäftigt. Auf dem Weg zum Auto mussten wir natürlich noch am Bach Halt machen. Ohne Schuhe stiegen sie hinein und warfen kleine Steine ins Wasser. Ich sah einem Hochzeitsfotografen zu, der neben uns am Wasser ein frisch getrautes Paar fotografierte.

Mein Mann kam und wir zogen den Kindern die Schuhe an. Liam hatte sich scheinbar kurz ins Wasser gesetzt, denn seine Hose + Unterhose waren tropfend nass..

Auf dem Weg zu Elisabeth, die in Laguna Beach wohnt, fragten wir uns, warum sie uns eigentlich heute eingeladen hatte. Elisabeth ist eine Karriere-/Single-Lady. Sie spricht mehrere Sprachen (auch deutsch), weil ihre Eltern Missionare in Europa waren. Mit einem Team von Mariners Church besuchte sie unsere Gemeinde in Berlin im Februar, dort lernten wir sie kennen. Sie berät Firmen und ist viel in der Welt unterwegs.

Trotzdem, oder gerade wegen dieser Fakten: Warum möchte sie uns einladen?

Wir riefen sie an, um kurz Bescheid zu sagen, dass wir auf dem Weg seien. Eigentlich wollten wir mit ihr zusammen fahren und in dieser großen Kirche muss man sich dann schonmal telefonisch absprechen. Aber Elisabeth war schon zuhause, denn andere Gäste waren bereits da. Andere Gäste???

Ich war froh, ein etwas schickeres Outfit gewählt zu haben. Außerdem hatte ich ein bisschen mehr Make up als sonst aufgelegt. Was wird das für ein Abend???

In Laguna Beach gefällt es mir! Der Strand ist so wunderschön, die kleinen Läden und Straßen erinnern an einen Touristenort an der Ostsee, die schrägen Strassen und Berge erinnern eher an Südeuropa. In diesen Monaten findet das „Festival of Arts“ in Laguna Beach statt. Es war Samstag Abend und die ganze Stadt war auf den Beinen.

Elisabeth kam uns entgegen, um einen Parkplatz zu zeigen. In einem süßen kleinen schwarzen Kleid und in tollen Schuhen stand sie da und wies uns ein. Die Straßen sind ziemlich steil, denn sie wohnt sozusagen an einem Hang am Meer.

Wir folgten ihr ein paar Treppen nach oben. (Liam noch immer ohne Hosen) Beide Kinder waren fit und gut drauf. Emilian hatte im Auto in Endlos-Schleife „Elisabeth, wo bist du?“ gesungen… Der Spielplatz hatte ihnen gut getan. Außerdem begrüßte Elisabeth sie in deutsch!

Gleich über einer Terrasse befand sich ihre Wohnung. Wir wurden zwei Freunden und ihren Eltern vorgestellt. Es gab kleine Snacks und schon nach kurzer Zeit hatte ich ein Glas Rotwein in der Hand. Es wurde langsam dunkler und wir fühlten uns sehr wohl auf dieser kleinen Party. Ich saß auf der Couch im Wohnzimmer und redete mit einer Freundin von Elisabeth. Die Kinder wuselten um uns herum, Emilian stellte sich vor einen kleinen Ventilator und drehte seinen Kopf synchron mit. Ich fürchtete um den Glastisch, den großen Spiegel an der Wand und die Deko. Ähnlich unserem Apartment war das eine kleine süße Wohnung, in der eindeutig keine Kinder lebten.

Elisabeth war so entspannt. Sie tobte mit Emilian und er durfte in ihr Schlafzimmer, auf ihr Bett klettern, um sich Kuscheltiere von dort zu holen. Sie hatte viele große Tiere und schon bald war das Wohnzimmer voll mit Tigern, Bären und Giraffen. Mehrmals musste ich mein Glas Wein und den Smoothie der Kinder vor einer fliegenden Giraffe beschützen…. als Mutter bin ich in solchen Situationen stets sehr angespannt. Aber meine Gesprächspartnerin war herzlich und sehr entzückt von den Kindern.

Entweder lag es daran, dass Elisabeth deutsch sprach… oder an den Tieren… oder an der Zeit auf dem Spielplatz: Meine Jungs waren gut drauf. Kleine Jungs in einer engen Wohnung eben, aber gut drauf. Als Emilian den schwarzen Ledersessel für sich einnahm, einen Kopfstand machte und die nackten Fußsohlen an den Spiegel klatschte, lachte Elisabeth und kitzelte ihn ab. Als sie uns Cashew-Kerne in einer süßen Kokosschicht hinstellte und die Kinder sich darauf stürzten, fanden die anderen das süß. Meine Kinder sind nicht so ganz Stehparty-tauglich und meine Nerven waren angespannt. Aber es war scheinbar wirklich kein Problem.

„Ich möchte euch das Deck zeigen!“, sagte Elisabeth dann und wir folgten ihr – mit unseren Weingläsern – eine ganze Menge Stufen nach oben, vorbei an mehreren Wohnungen.

Und dann standen wir plötzlich oben über der Stadt. Hinter uns die Berge, unter uns das Samstag-Nacht-Leben und vor uns das Meer. Die Sonne ging unter und färbte den Himmel pink und lila. Die Palmen zeichneten sich schwarz ab. Ein Traum. Es regnete ganz leicht und über uns war ein Regenbogen zu sehen, der genau vom Meer bis zum Berg verlief.

Wenn irgendwas die typisch amerikanischen Worte: „This is amazing!“ verdient hatte, dann das! Ich stand dort oben, das Glas mit dem Rotwein in der Hand und war sprachlos. Das war wie im Film!

Nach einer Weile stiegen wir die Treppen wieder nach unten und Elisabeth kündigte das Essen an. Wir stellten uns in einen Kreis, fassten uns an den Händen an und beteten. Trotz des leichten Regens setzten wir uns an den Tisch auf die Terrasse. Es war wirklich ein Nieseln und natürlich war es trotzdem warm. Für uns irgendwie nichts Besonderes, im Sommer draußen im Regen zu essen. Aber die Amerikaner waren ganz aus dem Häuschen. Es regnet nämlich nie in Kalifornien. (Selbst bei unseren Freunden in Arizona hatte es geregnet. Das kommt da nur alle zwei Jahre vor…)

Das Essen war ein Traum! Ein französischer Salat mit Feta-Käse, Rosinen, Blattsalat und Erdbeeren. Leider war es dunkel und ich konnte nur schmecken. Dazu Tomate-Mozarella. Tortilla-Chips. Hähnchen mit getrockneten Tomaten.
Kein Burger. Keine Pommes. Kein Ketchup. Wir hatten hier bestimmt noch nicht so gut gegessen.

Für die Kinder war nicht das Richtige dabei und mein großer Sohn (den ich nicht wiedererkannte) lief in die Küche zu Elisabeth und fragte, ob er Pizza haben könnte. – Äh… Hallo? – Aber die perfekte Gastgeberin hatte von einer anderen Party am Vortag Pizza übrig und wärmte zwei Stücke für uns auf.

Es war inzwischen ganz dunkel draußen, die Kinder knabberten ihre Chips im Wohnzimmer und ich setzte mich zu ihnen, nachdem ich fertig gegessen hatte. Die Eltern von Elisabeth waren die meiste Zeit mit Vor- und Nachbereitungen in der Küche beschäftigt. Alle anderen saßen noch auf der Terrasse. Als die Kinder fertig mit dem Essen waren, ließ ich sie ein paar Spiele auf meinem iPhone spielen.

Der Vater von Elisabeth holte dann eine große Schüssel in die Küche, in der eine Melone in Eiswürfeln lag. Er begann, sie zu zerschneiden. Die ersten Stücke bekamen wir. Wie ein Großer aß Emilian sein Melonenstück. Er tropfte weder auf den Glastisch, noch auf die schwarze Ledercouch.

Elisabeth ging in die Küche und fragte uns, ob wir gern Schokoladenkuchen und Eis haben wollten. Liam legte das iPhone weg und beide Kinder bekamen einen Teller mit einem Stück Kuchen und einer Kugel Vanilleeis. Das Eis war schnell weg – sowohl gegessen als auch geschmolzen.

Der Kuchen war heftig. Das war nicht mehr einfach nur ein süßer amerikanischer Schokoladenkuchen… Keine Frage, dass weder Emilian noch Liam seinen Kuchen aufessen konnte. Ich kostete ein bisschen und zerschnitt mehr Melone für die Jungs.

Liam verschwand nach draußen zu Papa, Emilian schnappte sich das iPhone und die Mama von Elisabeth setzte sich zu mir auf die Couch. Sie erzählte von ihren Kindern und Enkeln, von einer adoptierten Enkeltochter aus China, von Büchern, die sie darüber gelesen hat und wie stolz sie auf ihre Kinder sei. Emilian spielte erst ein paar Tierspiele auf dem iPhone, aber dann begann er, ein englisches Spiel über die Geschichten aus der Bibel zu spielen. Ich mag seine Art, zurückhaltend, aber deutlich Kontakt zu den Menschen hier aufzunehmen. Wenn er nicht reden kann oder möchte, dann bezieht er sein Gegenüber trotzdem dezent mit ein.

Elisabeth kam noch einmal, um Espresso und Cappuccino anzubieten. Aaaaah. Mein erster perfekter, perfekter Cappuccino mit perfekten Milchschaum! Mein Mann bekam einen ebenso perfekten Espresso. Der Abend wurde immer besser.

Inzwischen saßen mein Mann und Liam wieder bei uns in Wohnzimmer. Emilian spielte mit den Kuscheltieren und mein Mann redete mit Elisabeths Vater. Er war, genau wie seine Frau, eine sehr freundliche, liebenswerte und höfliche Person mit einer guten Portion Humor.

Während ich redete und mein Getränk genoss, fiel mir auf, dass der Vater sich einen Block geholt hatte. Vielleicht wollte er lesen oder schreiben… Aber dann sah ich, dass er einen Bleistift nahm und zu kritzeln anfing. Emilian sass zwischen zwei großen Tieren auf dem Sessel – und der Mann begann, das zu zeichnen. Noch nie hatte jemand mein Kind gezeichnet! Als wir begriffen, was geschah, erzählten wir Emilian begeistert davon und stolz blieb er auf der Stelle sitzen, ohne sich zu rühren. Wir sahen, wie verkrampft er eigentlich saß und erlaubten ihm amüsiert, sich bequem hinzusetzen. Er lächelte süß und blieb sitzen, bis der Künstler fertig war. Für Emilian war es eine ziemlich lange Zeit – aber dass in dieser Zeit ein Bild entstand, fand ich erstaunlich.

Kunst

Ich stand zwischendurch einmal auf, um einen Blick auf das Gemälde zu werden und … war kurz verwirrt. „Naja, ist halt Kunst“, dachte ich und hoffte, dass Emilian nicht enttäuscht sein würde. Aber am Ende war ich umso überraschter von der Ähnlichkeit und dem Ausdruck dieses Bildes!

Emilian durfte aufstehen und lächelte glücklich das Gemälde an. Wenn es eingesprüht ist, dürfen wir es mitnehmen. Und es wird einen Ehrenplatz bekommen!

Emilian

Elisabeth setzte sich zu uns und wir redeten ein bisschen über unsere Zeit hier in Amerika. Und dann sagte sie: „Ich bin am Wochenende mit meinen Eltern unterwegs, von Freitag bis Montag. Ihr könnt hier wohnen! Hier ist mein Schlafzimmer und da ist noch ein Zimmer mit zwei Betten. Ihr könnt an den Strand laufen, ihr könnt viele Läden zu Fuß erreichen…“

Wir wissen noch immer nicht, warum genau wir mit ihren Freunden und Eltern an dem Abend eingeladen waren. Ich bin absolut begeistert von ihrer Gastfreundschaft, von dem guten Essen, von den guten Gesprächen, (von meinem Englisch) und von dem guten Benehmen meiner Kinder. Immerhin war es nach 22:00 Uhr, als wir uns verabschiedeten. Wir wurden so sehr für das gute Verhalten unserer Kinder gelobt. Und überhaupt, was für süße Kinder ihr habt!

Elisabeth verabschiedete sich mit Wangenküsschen von uns (Hallo Europa!) und wie im Rausch stieg ich die Treppen zum Auto herunter. Ich fuhr durch ein Lichtermeer am Fuß des Berges entlang nachhause und war einfach nur glücklich und dankbar über diesen unerwarteten, schönen Abend! Wir werden gerne in Elisabeths Wohnung ziehen und auf dem Deck, über dem Pazifik, werden wir mit unseren Freunden Abschied feiern, bevor sie weiter nach New York fliegen.

Laguna Beach

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