„Hauptsache, dein Baby ist gesund!“
„Das wirst du bald vergessen haben…“
„Sei froh, dass man heutzutage diese technischen Möglichkeiten hat.“
„Du hattest einfach falsche Erwartungen.“
„Wenn sie dich gefragt hätten, hättest du doch bestimmt zugestimmt.“
„Was einen nicht tötet, härtet ab.“
„Der Arzt wird schon wissen, was er tut.“
„Vielleicht war die Hebamme einfach überarbeitet.“
„Glaubst du wirklich, es hätte einen Unterschied gemacht, wenn sie dich vor dem Eingriff um Erlaubnis gefragt hätten?“
„Das gibt’s doch gar nicht in Deutschland.“
„Diese Alpträume von der Geburt… das ist der Babyblues.“
„Jetzt übertreibst du aber!“
„Na komm, das waren doch nur Worte…“
„Das fällt nicht in unseren Zuständigkeitsbereich.“
„Jetzt hab‘ dich nicht so.“
„Das haben schon tausende Frauen vor dir geschafft.“
“ Wenn Sie einem Kaiserschnitt nicht zustimmen, kann Ihr Kind bei Komplikationen sterben.“
„Das ist aber auch eine komische Gebärmutter!“
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Gewalt unter der Geburt
Ich hoffe sehr, dass du diese Sätze noch nie gehört hast und dir überhaupt nicht denken kannst, was ich vielleicht damit meine. Aber es gibt sie. Die traurige Wahrheit ist, dass diese Sätze nicht fremd sind. Sie wurden gesagt. Und sie werden gesagt. Täglich. In unseren Kliniken.
Gewalt gegen Frauen ist aber auch
- sie unter Wehen gegen ihren Willen zum Stillliegen zu zwingen.
- unter Wehen wieder und wieder nach dem Muttermund zu tasten.
- ihnen zu sagen: „Wenn Sie jetzt nicht mitarbeiten, dann stirbt Ihr Baby!“.
- sie unter Geburt allein zu lassen oder ihnen zu sagen, sie sollen gefälligst still sein.
- die Geburtsposition (z.B. liegend auf dem Bett mit festgeschnallten Beinen) vorzuschreiben.
- ihnen ohne ihr Einverständnis und ohne medizinische Notwendigkeit einen Dammschnitt zuzufügen.
- bei ihnen ohne medizinische Notwendigkeit einen Kaiserschnitt zu machen.
- sie ohne medizinische Notwendigkeit von ihrem Baby zu trennen.
- …
Am 25. November ist Roses Revolution Day
Weltweit legen Frauen an diesem Tag eine rosa Rose vor die Kreißsaal-Türen, hinter denen ihnen Gewalt angetan wurde. Weltweit! Eine globale Bewegung gegen Gewalt in der Geburtshilfe.
Frauen legen Rosen nieder, manchmal ganze Sträuße. Sie schreiben einen Brief dazu oder kommen anonym. Sie gehen allein oder mit Freundinnen. Sie wollen vergeben oder vergessen. Sie wollen gesehen werden oder verstehen.
Es geht nicht darum, Hebammen und Ärzte zu beschimpfen, zu blamieren. Es geht nicht darum, Kreißsäle zu markieren. Es geht darum, Zeichen zu setzen. Nicht zu schweigen. Nicht wegzusehen.
Vielleicht sagt dir das nichts. Ich kenne diesen Tag auch noch nicht lange.
Vielleicht ist dir das nicht selbst passiert. Ich hatte auch drei angenehme Klinik-Geburten.
Vielleicht denkst du, das ist übertrieben. Und vielleicht war es einfach nur eine blöde Situation im Kreißsaal.
Aber ich möchte, dass jede Frau weiß: Das ist nicht okay!
Es ist nicht egal, wie wir gebären.
Es ist nicht egal, wie man mit uns spricht.
Es ist nicht egal, wie man über uns spricht.
Es ist nicht egal, wie Entscheidungen getroffen werden.
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Ich ermutige dich: Wenn dir unter der Geburt Gewalt angetan wurde, wenn du dir blöde Sprüche anhören musstest, … und wenn du soweit bist und du das Gefühl hast, du möchtest ein Zeichen setzen, du möchtest an den Ort zurück kehren, du möchtest den Schmerz hinter dir lassen, dann lege am Sonntag eine Rose nieder. Egal, wie lange es her ist. Egal, ob mit Brief oder anonym.
Es ist nicht deine Schuld. Du bist gut genug. Du bist stark genug. Du bist tapfer. Du bist wunderschön. Es war nicht deine Entscheidung!
Wenn du nichts mit meinem Eintrag anfangen kannst, mit deinen Geburten zufrieden bist und sensibles Krankenhauspersonal um dich hattest, dann erzähl vom Roses Revolution Day, sag anderen davon weiter, rede mit Freundinnen oder begleite sie am Sonntag.
Es ist nicht egal.
Gemeinsam sind wir stark.