Nach 4 Schultagen

Nach der Einschulung, die mich ziemlich überrascht hat und die ja so entspannt war, hatte ich kaum mehr Sorgen wegen der Schule und so. Aufgeregt war ich schon. Das ist ja auch immerhin ein riesiger Schritt!

Ich hab mir in den letzten Wochen mal bewusst gemacht, dass ja die Kindergarten-Zeit eigentlich so kurz ist und bei vielen auch schnell aus der Erinnerung verschwindet – dagegen ist die Schulzeit gefühlt ewig und bleibt auch ewig in Erinnerung – gut oder schlecht.
Als ich das festgestellt habe, wurde für mich dieser Wechsel leichter. Die Kindergarten-Zeit war schön und behütet und eine gute Voraussetzung. Emilian konnte in Ruhe und Sicherheit wachsen und lernen. Er wurde angenommen und herausgefordert. Eher diesem heilen Umfeld trauere ich wohl hinterher…

Emilian war am Montag morgen wieder früh wach und fertig angezogen. Wir alle haben uns gleichzeitig fertig gemacht und hatten viel Zeit. In die erste Brotbox kam ein Apfel, ein Müsliriegel, ein Brot mit Käse und eins mit Marmelade. Ich frage ihn, was da rein soll und wir probieren, was schmeckt, was zu viel ist und was sich vielleicht auch gut tauschen lässt.
Die Schultasche war schon gepackt, da musste ja eigentlich noch nichts rein.

Bis zur Ecke gingen wir zusammen, der Abschied war kurz schwer und dann bin ich mit Liam Richtung Kita gegangen und die anderen beiden Richtung Schule.

Als ich den Mann zum Frühstück wieder zuhause traf, fiel mir mit einem riesigen Schreck ein, dass die ganze schwere IKEA Tüte mit allen Heften und Ordnern noch zuhause im Wohnzimmer stand. Mein lieber Mann scherzte, wie schlecht es unserem Kind jetzt gehen würde, am ersten Tag gleich ohne Unterrichtsmaterialien da zu stehen…
Mir war schon klar, dass die Klasse wahrscheinlich weder am ersten Tag gleich loslegen und schreiben würde – noch wollte ich die Mutti sein, die peinlich mitten in den Unterricht platzt – also musste ich eben die 3 Stunden aushalten.

In der kompletten ersten Woche war der Unterricht erst wegen Eingewöhnung, später wegen Hitzefrei schon um 11:45 Uhr vorbei. Uns blieb also zwischen dem Schulanfang um 8:45 Uhr (auch noch Eingewöhnungsphase) mit 15-minütigem Schulweg zurück und wieder hin nicht so viel Zeit an den Vormittagen. Manchmal fuhr ich mit dem Fahrrad, dann saß Emilian auf dem Rückweg im Korb. Liam wurde dann kurz vor 13:00 Uhr abgeholt… Für mich fühlt sich diese Woche wie ein Marathon an und meine Knochen und Muskeln beschweren sich bereits.

Ich konnte es also am ersten Tag kaum abwarten, mit der großen besagten IKEA Tüte zur Schule zu laufen.
Mit anderen Mamas und Papas – wir sehen uns jetzt fast alle zweimal täglich – stand ich vor der Klassenzimmertür.
Die Tür ging auf und kleine Menschen mit großen Taschen auf dem Rücken, mit müden Augen und roten Wangen, stolperten uns entgegen. Die Lehrerin sah ähnlich geschafft aus und kam hinterher, um die Eltern zu begrüßen.

Ich ging mit Emilian in den Klassenraum, um endlich sein Fach einzuräumen und natürlich war es kein Problem. Ganz stolz zeigte er mir seinen Platz, sein Foto an der Wand und sein Fach. Er ist in dieser Woche ein richtiger großer Erstklässler geworden!

Für seine Begriffe geht die Schule zu langsam. Am ersten Tag sollten sie als „Hausaufgabe“ fertig malen, was in der Schultüte war. Grundsätzlich hat er die Hausaufgaben bereits in der Schule angefangen und beendet zuhause nur noch.

Am zweiten Morgen fehlte ihm ein bißchen die Lust, sie würden ja eh noch nichts lernen. Es gab noch keinen Fach-Unterricht, sondern nur Zeit im Klassenraum mit der Lehrerin.
Viele Zettel für Mama in der Postmappe und dann unterschrieben wieder zurück, darum musste er sich kümmern und das hat er sehr sorgfältig und pflichtbewusst getan. Er konnte mir auch zu jedem Zettel ganz genau erklären, worum es ging. Büchereiausweis, Einverständniserklärungen, Zahnarztbesuch… Als für ein besonderes Hausaufgabenheft 3,30 Euro in einem Umschlag in die Postmappe gesteckt werden sollte, suchte er sein eigenes Geld zusammen, kam auf  3,24 Euro, suchte in meinem Geld nach 6 Cent und steckte das Geld in den Umschlag.
Er erledigt seine Aufgaben lieber gleich, am besten noch auf dem Schulhof oder zumindest vor dem Schuhe ausziehen zuhause.

Das sind die Aufgaben, die er mitbringt.
Auf die Geschichten müssen wir etwas länger warten.
Auf dem Nachhauseweg haben wir viel Zeit und Ruhe. Ich liebe das – und dann erzählt er, dass ein Mädchen gespuckt hat, dass ein anderes gleich Geburtstag hatte, dass er die Namen der Jungs schon viel besser kennt und dass zwei Kinder die gleiche Schultasche haben. Fragen stellen bringt nicht viel, so schwer es auch ist.

Kleine Details kommen viel später, meist abends im Bett, zusammenhanglos und ganz von allein. Dann erfahre ich, dass es einen Handpuppen-Fuchs für die Klasse gibt, der Fridolin heißt. Und dass er lieber kein Joghurt in der Brotbox möchte, weil ein anderer Junge sagt, das dürfe er nicht. Er erzählt, dass er in der Hofpause am Rand steht und sich langweilt, weil er nicht mag, dass Sand in seine Schuhe kommt. Sehr dankbar war er, als ich vorschlug, dass er eben Socken und feste Schuhe anziehen könnte… trotz 30 Grad.
Ich wünsche mir, dass ich diese Zeit und Ruhe und Geduld lange, lange beibehalte, um zuzuhören, wenn es dran ist und da zu sein, wenn ich gebraucht werde!

 

Heute gab es dann endlich Hausaufgaben!

Und heute fand auch die erste Sportstunde mit einer anderen Lehrerin statt, sie spielten – wie sollte es anders sein? – „Feuer, Wasser, Sturm“.
Morgen werden wir einen kleinen Stundenplan an sein Bett hängen. In der nächsten Woche werden die Stunden und Fächer voraussichtlich mehr nach Pan ablaufen.

Einerseits bin ich unglaublich stolz und glücklich, dass Emilian gut in seiner Schule und in der Klasse angekommen ist, dass er da seinen Platz zu haben scheint, dass er über seinen Schatten springt, am Leben der anderen teilnimmt und dass er dieses große, unfassbare „Schul-Dings“ zu verstehen lernt.
Heute sagte er: „Frau A. (Sekretärin) ist die Königin der Schule.“

Andererseits war diese Woche für mich auch voller Kindheitserinnerungen, obwohl ich selbst in einer Grundschule gearbeitet habe.
Feuer, Wasser, Sturm spielen, am Ende des Tages den Stuhl hochstellen, Hofpause… viele Kleinigkeiten, die mich an meine Schulzeit erinnern.

Emilian hat ja nun schon zur Einschulung gezeigt, dass er diesem schüchternen, stillen Mädchen, was einst seine Mama war, einiges voraus hat.
Und ich wünsche ihm so sehr, dass Schule aufregend, schön und spannend wird – und bleibt. Dass er jetzt schon für das Leben lernt und den Bezug zum Alltag sehen kann. Dass er Kontakte und Freundschaften knüpfen kann, die bis zu 30 Jahren halten könnten. Dass er sein schelmisches Grinsen, seine schlauen Antworten, sein lautes Lachen, seine kleinen Witze und sein großes Interesse am Leben  behält.

Ich kann euch nur sagen: Ich bin so gespannt!

Und sonst so?
Liam geht gern und ohne Probleme in die Kita. Er erzählt viel und für ihn ist seine Gruppe und seine Kita ganz wichtig.
Zum Mittag braucht hier erstmal jeder von uns seine Ruhepause – aber am Nachmittag hängen unsere Jungs mehr als sonst aufeinander, was nicht selten zu kleinen Kabbeleien und Tränen führt. Aber trotz allem lieben sie sich und Liam verbringt 80% des Nachmittags damit, laut und ohne Luft zu holen über Emilians Späße zu gackern.

Heute haben sie für uns alle das Abendbrot vorbereitet und den Tisch gedeckt, mit Kerzen und Getränken und geschnittenen Möhren und Nachtisch! Das war so süß und wunderbar und in diesem gemeinsamen heimlichen Plan sind sie so aufgegangen!

Am Abend – bei der nächsten Kabbelei – hat sich Liam ein Loch in die Zunge gebissen und ordentlich geblutet. Emilian weinte vor Schreck mit und als der erste Schock vorbei war, durften sie beide ein Eis lutschen und das Gegacker ging von vorn los.
Brüder eben.

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